zum Hauptinhalt

Berlin: Hilfe gegen den Tod in der Kälte

Trotz Wirtschaftskrise: Tagesspiegel-Leser spenden noch mehr als im Vorjahr – das ist wichtig, denn die Zahl der Obdachlosen steigt

Von Christian van Lessen

und Annette Kögel

Gerd war Bauklempner bei einer Pleitefirma, Horst Fernfahrer „vom Nordkap bis Palermo“, bis er den Führerschein verlor, und seine Ehe in die Brüche ging. Harte Männer, denen Tränen in die Augen steigen, wenn sie von ihrem früheren Leben erzählen. Sie sind Ende fünfzig, arbeits- und wohnungslos, aus der Bahn geworfen. Sie sitzen auch an diesem Wochenende wieder in der Suppenküche des Franziskanerklosters an der Wollankstraße in Pankow. Zwei von täglich 400 Wohnungs- und Obdachlosen, die hier verpflegt werden. Der Verlust des Arbeitsplatzes, Mietschulden, Wohnungskündigung, Alkohol, Scheidungen: Harte Schicksalsschläge verbergen sich hinter einer Statistik der Sozialverwaltung, die einen Besorgnis erregenden Trend zeigt. Die Zahl der Wohnungslosen in Berlin steigt wieder, von rund 6000 vor zwei Jahren auf inzwischen über 6500.

Gut, dass es Menschen gibt, die helfen. Die Leser des Tagesspiegel zum Beispiel. Knapp 215 000 Euro sind bislang für die Spendenaktion „Menschen helfen!“ zusammengekommen. Das ist schon jetzt mehr als bei der letzten Spendenaktion, als die Summe 203 000 Euro betrug. Und in Zeiten der wirtschaftlichen Krise ist das besonders beeindruckend. Zudem riefen viele Leser an und spendeten Bettwäsche und Mäntel, Möbel und Medizin. Hilfe ist besonders in diesen Tagen wichtig, wo den Obdachlosen auf den Straßen Berlins der Kältetod droht.

Zur offiziellen Zahl kommt nach Schätzung des Arbeitskreises Wohnungsnot eine Dunkelziffer von rund 4000 Menschen, die, von der Statistik unbemerkt, hin und wieder bei Verwandten oder Bekannten Unterschlupf finden oder ohne jedes Obdach durch die Stadt ziehen und keine Hilfe in Anspruch nehmen. Auch der Anteil junger Wohnungs- und Obdachloser steigt, mindestens 500 Kinder und Jugendliche sind ohne festen Wohnsitz. Die Obdachlosen schlafen unter den Brücken der Spree oder des Landwehrkanals, zwischen den Pfeilern der Stadtautobahn, in Parks, an Bahnhöfen, Hauseingängen, auf Dachböden oder in Rohbauten. Nicht nur in den Innenstadt- und „Problembezirken“: In Schlachtensee „wohnte“ bis vor kurzem ein Obdachloser auf der müllübersäten Rampe eines stillgelegten Bahngebäudes, fast direkt vor einem Aldi-Markt.

Uta Sternal, Mitglied des Arbeitskreises Wohnungsnot und Leiterin eines Wohnheims, spricht nur von „Wohnungslosen“. Das Wort Obdachloser werde mit Penner gleichgesetzt, mit Schmuddeligkeit. Vielen Menschen sehe man gar nicht an, dass sie keine Wohnung hätten. Es gebe schon „komplexe Problemlagen“, die zur Wohnungslosigkeit führten. Das beginne oft damit, dass Haushalte keinen Antrag auf Wohngeld stellten, wenn sie die Miete nicht zahlen könnten. Sozialämter übernähmen nur noch in Ausnahmefällen Mietkautionen, und ohne sie sei es schwierig, eine neue Wohnung zu finden. Uta Sternal spricht von „dramatischen Situationen“, wenn sich Familien Mietkautionen von der Sozialhilfe absparten. Auch der Rückgang des sozialen Wohnungsbaus werde die Zahl der Wohnungslosen weiter steigen lassen.

Von den offiziell registrierten Wohnungslosen sind gut 80 Prozent Männer. Gerd und Horst verloren vor vier, fünf Jahren ihre Wohnung, als sie die Miete nicht mehr zahlen konnten. Gerd wohnt bei Bekannten, Horst sagt nur, auch als Fernfahrer habe er kein Zuhause gehabt. Der warme Aufenthaltsraum der Suppenküche des Franziskanerklosters ist für beide, wenigstens mittags, das Zuhause. Hin und wieder helfen sie Schwester Bernhildis beim Ausschenken und Aufwärmen der Suppe. Die Vergangenheit wird möglichst nicht aufgewärmt.

Wer sich an der Spendenaktion beteiligen möchte: Der Empfänger ist der Tagesspiegel, das Stichwort „Menschen helfen!“. Kontonummer 25 00 30 942 bei der Berliner Sparkasse, Bankleitzahl 100 500 00. Bitte geben Sie auf dem Beleg Namen und Anschrift komplett an, damit wir den Spendenbeleg zuschicken können. Online-Banking ist möglich.

Christian van Lessen, Annette Kögel

Zur Startseite