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Berlin: Hilfloser Fatalismus

Die Nachricht von Entlassung und Lohnkürzung mögen viele BVG-Mitarbeiter noch nicht glauben

„Schämt ihr euch nicht, einen Kollegen zu kontrollieren?“ Tun sie nicht. Die fünf stattlichen Herren vom BVG-Sicherheitsdienst haben sich vor den fünf Türen am Eingang zum ICC postiert und lassen nur Ausweisinhaber rein. Und Senatoren. Das gesamte Kongresszentrum ist hermetisch abgeriegelt, weil die BVG ihre große Krisensitzung abhält. Die Pfiffe und Buh-Rufe aus dem Saal 1 dringen bis nach draußen. 4500 Mitarbeiter sollen gekommen sein, um sich von ihrem Vorstand erklären zu lassen, warum die Hälfte von ihnen den Tanker BVG bald verlassen muss. Unter den Kollegen, die sich draußen die Füße vertreten, herrscht zumeist fatalistische Fröhlichkeit.

Carsten, 28, und Dennis, 22, sind sowieso eher aus Spaß hergekommen. So eine Betriebsversammlung hat für Leute mit Zeitvertrag kaum Relevanz. Bislang wurden ihre Verträge immer wieder verlängert, aber zum Ende des Jahres sei definitiv Schluss, sagt Carsten und lacht. „Sich dagegen zu wehren, bringt nichts.“ Ihren Job wird jemand übernehmen, der vielleicht nicht so qualifiziert ist, aber Kündigungsschutz genießt. Ausgebildet wurden beide als Energieelektroniker. Damit hat ihre heutige Arbeit wenig zu tun. Carsten bringt Grafittischutzfolien an. Dennis repariert Straßenbahnkupplungen.

„Jeder hat Angst“, sagt Andreas, der schon die 40 erreicht hat und bei der U-Bahn-Stromversorgung arbeitet. Von Streiks hält sein Arbeitskollege André nicht viel. „Es gibt nichts mehr zu verteilen.“ Personalüberhänge zum Wegrationalisieren gebe es allerdings auch nicht mehr, zumindest nicht in ihrem Bereich.

„Wir sind zu fünft, zwee werden entlassen“, ruft ein fröhlicher Trupp altgedienter BVGer mit gewölbten Hemdbäuchen. Mehr wollen sie nicht sagen. Auch eine Frau mit kurzen blonden Haaren hat es eilig. Nur soviel: „Wir sind die kleenen Arbeeter. Die andern ham det Geld.“

Verkehrsmeister Karl-Heinz Thiemann, erschienen in blaugrauer Dienstuniform, mit Schnauzbart und Goldarmreif, sieht das ein wenig differenzierter. Viele bei der BVG gehören seiner Ansicht nach zu den Besserverdienenden. Da gebe es die aus dem alten West-Berlin, die sich ein Häuschen angeschafft hätten und vielleicht noch ein Boot dazu. Und es gebe die aus dem alten Ost-Berlin, die früher mal nicht so viel verdient hätten. Die Ostler würden sich vielleicht noch daran gewöhnen, weniger zu verdienen. Aber die Westler…

Thiemann selbst war früher beim Verkehrskombinat Potsdam. Er würde Einbußen hinnehmen. „Und ich würde dafür streiken, dass der Name BVG nicht aus den Büchern verschwindet.“ An der großen Mutter BVG hängen zumindest die Älteren noch.

Thiemann schöpft immer noch Hoffnung. „Von Kündigungen ist heute gar nicht die Rede gewesen.“

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