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Berlin: „Hinten ist die Ente fett“

Es ist nicht leicht, sich zu bremsen. Ganz Kreuzberg macht Musik

weiß, wie man einen Marathon übersteht – km 14 bis 21 Berlin, Berlin - was wärst du ohne Kreuzberg. Meine Atmung geht ziemlich laut. Tief und rhythmisch. Bombenstimmung. Wer hat denn die Leute alle aufgeweckt? Vor 15 Minuten hinten am Roten Rathaus haben alle noch gepennt. Immer wieder auf die Uhr gucken, Tempo halten, nicht anstecken lassen. Es ist nicht leicht, sich zu bremsen. Ganz Kreuzberg macht Musik. Wahrscheinlich ist Horst Milde, der Vater des Berlin-Marathons, noch gestern persönlich von Haus zu Haus marschiert und hat um „ordentlich Radau“ gebeten.

Es stimmt: Wenn man richtig trainiert und sich bis über die Ohren mit Nudeln vollstopft, dann läuft es so gut und leicht wie lange nicht. In den letzten vier Wochen wird ganz bewusst die Müdigkeit erhöht, um sie rechtzeitig vor dem Lauf abzubauen. Form für eine neue Bestzeit.

Euphorie, superflache Strecke, Dröhnmusik – all das erzeugt auf der ersten Hälfte rasende Heldenstimmung. Genau das ist die Gefahr: als Held starten, aber als Suppenhuhn enden. TV-Reporter Dirk Thiele von Eurosport hat alle Marathonweisheiten in einen einzigen Satz gepackt: Hinten ist die Ente fett! Abgerechnet wird zum Schluss. Ein Marathon hat 42 Kilometer.

Da vorn gibt es Wasser. Ich nehme mir meine 30 Sekunden. Riesenstimmung hier. Gneisenaustraße, Yorckstraße, Goebenstraße. Wieder trinken. Ich spüre erstmals was: Es fällt schwerer als bei Kilometer 14. Konnte ja auch nicht ewig so gut weitergehen. Hallo Schöneberg, hallo Halbmarathon: 1:43,36h. Das ist okay. Hemd reibt. Brustwarzen schmerzen. Noch kein Blut. Abkleben vergessen. Ich Trottel.

Jens Karraß, 37, Diplom-Medienberater, war Spartakiade-Sieger, Deutscher Meister und gehörte 1991 zu den vier schnellsten Männern der Welt über 10 km auf der Straße. Er arbeitet als Personal Trainer und Fitnesscoach, leitet in Berlin den AOK-Frühstückslauf und ist seit dem Jahr 2000 Lauf-Botschafter für Unicef (www.jkrunning.de). Unserer Serie finden Sie unter www.tagesspiegel.de/laufen

Jens Karraß

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