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Berlin: Hinter den Kulissen: Plenarsaal unter Wasser und mehr

Auch die Ferien-Stallwache kann "sehr kurzweilig" sein, wie Sven Vollrath, der persönliche Referent von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (und stellvertretende SPD-Landesvorsitzende) dieser Tage merkte. In seinem Fall hieß Kurzweil allerdings Schock.

Auch die Ferien-Stallwache kann "sehr kurzweilig" sein, wie Sven Vollrath, der persönliche Referent von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (und stellvertretende SPD-Landesvorsitzende) dieser Tage merkte. In seinem Fall hieß Kurzweil allerdings Schock. Im Plenarsaal des Reichstages ging plötzlich die Sprinkleranlage an, "und da regnete es mindestens 8000 Liter". Längere Zeit wurde nach dem Wurm in der Technik gesorgt. Der Präsident soll sich im Urlaub den Bart gerauft haben, als ihn Vollrath informierte. Aber beim zweiten Anruf scherzte Thierse schon: "Das war doch nicht etwa Sabotage?" Nein, Vollrath hat keine Erkenntnisse, dass es alte Seilschaften waren.

Eberhard Diepgen hat bei Senatsdisputen selten oder nie mit dem Hammer auf den Tisch hauen oder die Glocke schwingen müssen. Klaus Wowereit kann es gar nicht. Er hat die Disziplinierungswerkzeuge, die schon im Rathaus Schöneberg griffbereit auf dem Platz des Regierenden lagen, in die Asservatenkammer verbannt, den Tintenlöscher von anno dunnemals gleich mit. Dafür stehen nun immer bunte Blumengebinde auf dem Senatstisch. Hat alles mit dem Wowereitschen Sinn fürs Ästhetische zu tun.

Sicher zum ersten Mal wurde am Dienstag im Senat gar gesungen, und das bei einem so ernsten Tagesordnungspunkt wie der Erörterung des Not leidenden Theaters des Westens. Da ging es um Geld, natürlich, die Auslastung des Theaters, Abfindungen für die wegrationalisierten Orchester-Musiker. Kulturstaatssekretärin Alice Ströver, die ihre Senatorin Adrienne Goehler vertrat, und Wowereit rasselten erst einmal um die Wette Zahlen herunter; die haben sie aus ihrer Zeit im parlamentarischen Unterausschuss Theater noch im Kopf. Das muss bei Wowereit Assoziationen an triviale Musical-Inszenierungen geweckt haben. Jedenfalls legte er im hellen Tenor los: "Ich bin der Ötzi aus Tirol!" Das erheiterte nun alle, er ist doch kein Methusalem. Wowereit meinte ja auch den "Anton aus Tirol", aber der Schlagermacher nennt sich DJ Ötzi. Macht nichts, wer singt, knurrt nicht.

Hingegen schrecken die Stallwachen im stillen Abgeordnetenhaus jetzt öfter durch Kindergeschrei hoch. Die Grünen-Abgeordnete Jeannette Martins hat wahnsinnig viel damit zu tun, sich um die Inline-Skater und ihre verkehrspolitische Bedeutung zu kümmern. Diese Rollen als Fortbewegungsmittel: Deshalb findet sie es auch nicht gut, dass die Versammlungsbehörde Demos dieser Leute als Spaß und nicht als politische Demos einstuft. Wie gesagt, Frau Martins hat damit zu tun, und deshalb bringt sie ihren drei Monate alten Sohn Ludwig mit ins Fraktionsbüro. Somit haben auch die anderen zu tun. Jeder darf Ludwig, das Kind, mal schaukeln und herumtragen.

Bei der SPD ist es Fraktionschef Michael Müller, der seine Vaterrolle gelegentlich mit der Politik vereinbaren muss, Mutter ist auch berufstätig. Ganz einfach dachte er sich das, als er im Fraktionsbüro den TV-Kinderkanal programmieren ließ. Doch Max (fünf) und Nina (drei) gehen lieber auf Entdeckungsreisen. "Die Kleine fuhrwerkt ganz schön herum, die muss zu Hause die ganze Familie beherrschen", meint Fraktionssprecher Hans-Peter Stadtmüller. Den Papa stören sie nicht, zu langweilig am Schreibtisch.

Frank Steffel beherrscht die Kunst der Unterhaltung. Alle Woche stellt der CDU-Spitzenkandidat einen neuen Wahlkampf-Berater vor, folglich bringt das dauernd Aha-Effekte. Andere pusseln mehr vor sich hin. In der PDS-Fraktion sind die Chefs Harald Wolf und Carola Freundl immer da, um irgendetwas zu planen oder fürs Wahlprogramm aufzuschreiben. Doch damit es nicht zu ernst und dröge wird, hat Pressesprecher Günter Kolodziej eine Art fraktionsinternen Sportinformationsdienst eingerichtet. Er zeichnet fleißig die Fernsehberichte von den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Kanada auf. Nun hat er viel Besuch. Frau Freundl kommt besonders oft, sie war selbst Leichtathletin.

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