zum Hauptinhalt

Berlin: Hinter den Kulissen: Stressgeplagt am 1.Mai

Lang ist der Schatten von Klaus Landowsky. Wo ist die politische Stimme von Frank Steffel, der ihn im Fraktionsvorsitz beerben soll und will?

Lang ist der Schatten von Klaus Landowsky. Wo ist die politische Stimme von Frank Steffel, der ihn im Fraktionsvorsitz beerben soll und will? Oder von Alexander Kaczmarek, den eine CDU-Minderheit lieber sähe? Auch nach der Randale am 1. Mai war der scheidende Fraktionschef blitzschnell, so dass sich andere in der CDU nur wundern konnten. Und wenn Landowsky erst Diepgens Stellvertreter im Parteivorsitz ist, will er garantiert in dieser Funktion den Ton angeben. Im Rundfunkinterview legte er Montagfrüh richtig los. Er sprach von einem klammheimlichen Bündnis der PDS und Grünen mit dem "terroristischen Pöbel". Die Grünen-Fraktionschefin Sibyll-Anka Klotz hätte sich vor Zorn beinahe an ihrer Zahnbürste verschluckt: "Ausgerechnet Landowsky. Wie kommt der dazu, sich das politisch moralische Wort zu gestatten? Schließlich muss er ja wegen seiner politisch unmoralischen Parteispendenaffäre gehen."

Kampfgestählt ist auch Wolfgang Wieland als Beobachter des 1. Mai, aber eben nach Art der Grünen bis hin zur Wortwahl. Wie alle Jahre peilte der Grünen-Fraktionschef die Lage an den Brennpunkten der Krawalle, anders als seine Kollegen Landowsky und Klaus Wowereit (SPD), der brav bei der DGB-Kundgebung war. Wieland kurvte um den Mariannenplatz, hielt es aber für ratsam, sein Fahrrad weit vom Schuss abzustellen. Dort, wo es brannte, konnte er 1997 nur noch Totalschaden feststellen. So ging es diesmal seinem Fraktionskollegen Özcan Mutlu, dessen Rad am Mariannenplatz demoliert wurde. "Aus Erfahrung wird man klug", tröstete Wieland mit leichtem Triumph. Diesmal blieb er heil. 1999 hatte er sich im Getümmel eine böse Knieverletzung zugezogen.

Ziemlich einsam fühlten sich die Zurückgebliebenen gestern im Preußischen Landtag, denn die stärkste Fraktion ist samt CDU-Senatoren nach Kloster Banz ausgeflogen, wo in Klausur der "Generationswechsel" vorbereitet wird. Auch die anderen Senatoren machen sich rar; im Moment versäumen sie ja nichts. Klaus Böger urlaubt in Rom, wo er den 1. Mai so friedlich-fröhlich erlebte, wie er ihn sich in Berlin wünscht. Peter Strieder hat sich zu einer Umweltministerkonferenz nach Rio aufgemacht. Die anderen Fraktionen wären wohl gern Mäuschen in Franken bei der CDU. Doch selbst Eberhard Diepgen fand es entbehrlich, zwecks Hebung der Stimmung die Seinen auf der Bahnfahrt zu begleiten. Er regierte noch - und preschte mit dem Auto abends hinterher.

Wie schön, dass es für unsere stressgeplagten Politiker noch kleine Freuden gibt. Klaus Wowereit zum Beispiel weiß, was er sonntags um 18 Uhr 40 am liebsten tut: Den Fernseher einschalten und die "Lindenstraße" gucken. Na schön, für seine kleine Liebhaberei wurde er wunderbar belohnt. Bei der Theater-Premiere von "Sanssouci" saß er letzten Sonnabend zufällig neben Marie-Louise Marjan, direkt neben der "Mutter Beimer". Er erkannte sie auch gleich und war entzückt, dass sie das Wort an ihn richtete: "Sind Sie vom Fach, also Schauspieler?" Ehe Wowereit antworten konnte, schallte es lachend von hinten: "So ähnlich!" Es war Petra Merkel, die SPD-Fraktionsgeschäftsführerin. Wowereit stellte sich nun artig als Fraktionschef und "Lindenstraßenfan" vor. "Mutter Beimer" war auch begeistert - von dem Stück und von der Leistung ihrer betagten Kollegin "Else Kling" auf der Bühne.

Gewiss doch, Berlin hat sich verändert, total seit dem Mauerfall und der Einheit. Doch die Seele der Stadt ist geblieben, wie Kenner meinen, die nach längerer Abwesenheit wieder da sind. Der französische Diplomat Jan Michel Feffer war seit 1976 französischer Presseoffizier und zeitweilig Verbindungsoffizier im Westteil, nach der Wende bis 1993 bei der Außenstelle der Botschaft. Nun ist er als Presseattache an die Französische Botschaft zurückgekehrt. Und was er für charakteristisch hält, hat er durchaus wiedererkannt: "Für mich war und ist Berlin sympathisch chaotisch oder auch chaotisch sympathisch, wie Sie wollen." - "Dann lieber sympathisch chaotisch", meint Diepgens Sprachrohr Butz.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false