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Berlin: Hochgeschaukelt

Die Entscheidung für das Einheitsdenkmal in Berlin ist gefallen. Ist der langwierige Streit nun beigelegt?

Zwölf Jahre Tauziehen ums Einheitsdenkmal sind vorbei. Nachdem bereits durchgedrungen war, dass die riesige Schale des Stuttgarter Architekten Johannes Milla in Zusammenarbeit mit der Berliner Choreographin Sasha Waltz der Favorit von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) war, hat nun auch der Kulturausschuss des Bundestages offiziell davon erfahren. In zwei bis drei Jahren soll das Monument fertig sein. Eine letzte Beraterrunde, die über die beiden Finalisten vor wenigen Tagen zu entscheiden hatte, votierte einstimmig – allerdings ohne Teilnahme von Vertretern der Grünen oder Linken, die erst im letzten Moment und ohne Stimmrecht eingeladen worden waren. Der ursprünglich unter Ausschluss der Öffentlichkeit angesetzte Tagesordnungspunkt hatte deshalb im Vorfeld Wellen geschlagen, denn Grüne und Linke fühlten sich nochmals düpiert.

So kamen in der gestrigen Ausschusssitzung alle Gegenargumente gegen das Denkmal, den Standort, das Verfahren nochmals zur Sprache. Und doch führte Politprofi Neumann am Ende einen Konsens herbei, indem er darauf verwies, dass mehr Einbeziehung des Parlaments kaum möglich sei. Außerdem stütze er sich auf zwei Mehrheitsbeschlüsse des Bundestags von 2007 und 2008, die das Einheitsdenkmal und den Standort an der Schlossfreiheit ausdrücklich wünschten. Geschickt verwies er die beiden Rednerinnen Claudia Roth von den Grünen und Rosemarie Hein von der Linken darauf, dass der gekürte Entwurf ihnen doch wohl gefiel: „Unter Hinnahme der Kritik kann dann das Ergebnis nicht besser sein,“ lobte er sich selbst.

Was zeichnet das Denkmal aus?

Sebastian Letz von dem Architekturbüro Milla und Partner sowie Sasha Waltz hatten zuvor dem Ausschuss ihren Vorschlag dargelegt. Rhetorisch mochten sie zwar überzeugen, der Entwurf selbst lässt allerdings weiterhin Fragen offen, etwa zur Sicherheit. Denn die gigantische Schale ist als Schaukel gedacht, die sich bewegt, sobald sich mindestens fünfzig Personen auf eine Seite begeben. Vermutlich erhält die konkave Plattform also noch Ballustraden, damit beim Wippen niemand herunterfällt. Gerade in der Beweglichkeit aber besteht der Anteil der Tänzerin Sasha Waltz: „Wir können gemeinsam mit unseren Körpern die Erinnerung generieren.“

„Bürger in Bewegung“ heißt die Riesenschüssel, die den 60 Meter breiten Sockel gegenüber vom künftigen Humboldtforum einnimmt. Das mobile Monument versteht sich als Vermächtnis der „mutigen Bürger der friedlichen Revolution von 1989“, symbolisiert durch die innewohnende Dynamik, die Offenheit, die Ausrichtung himmelwärts. Die Superschaukel re-inszeniert spielerisch die Botschaft „Wir sind das Volk. Wir sind ein Volk“ und deren Wirkmächtigkeit. An der Unterseite sind Bilder von der Herbstrevolution appliziert, auf dem darunter befindlichen Asphalt sollen Zitate von Bürgerrechtlern in den Boden eingelassen werden.

Was ist aus den konkurrierenden Entwürfen geworden?

Millas Entwurf war zusammen mit dem Parolen-Dach des Münchner Architekten Andreas Meck und dem knieenden Mann des Karlsruher Bildhauers Stephan Balkenhol ins Finale gelangt. Die 15-köpfige Jury, zu der die beiden Künstlerinnen Monica Bonvicini und Katharina Fritsch, der Architekt Meinhard von Gerkan und als Politiker neben Neumann der Berliner Kulturstaatssekretär André Schmitz und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse gehörten, hatte im Herbst 2010 nach dem zweiten Wettbewerbsdurchgang drei Entwürfe mit der Aufforderung zur Nachbesserung nominiert. Der erste Wettbewerb, bei dem die Teilnahme noch offen war, hatte sich als Desaster erwiesen. Von den eingereichten 533 Vorschlägen hatte keiner überzeugen können. Auch der zweite Durchlauf, zu dem gezielt Kandidaten eingeladen worden waren, befriedigte nicht. Die anschließende Ausstellung im Martin-Gropius-Bau im Herbst erwies sich als Offenbarungseid. Mit der Wahl von drei Finalisten wurde deshalb das Verfahren geschickt zurück an die Politik, an den Kulturstaatsminister als Auslober delegiert, der nun selbst zwischen den Varianten gegenständlich (Balkenhol), abstrakt (Meck) und symbolisch (Milla) entscheiden sollte. Der Bildhauer zog zurück, so dass die Wahl zwischen Millas Schaukel und Meckels Buchstaben-Himmel blieb.

Wozu dient das Denkmal?

Wolfgang Thierse, vermochte in seinem Statement noch am deutlichsten zu erklären, warum die Bundesrepublik ein solches Denkmal braucht: „Unsere Identität als ein normales, durchschnittliches europäisches Volk sollte nicht in der Erinnerung an den Holocaust bestehen, sondern auch an die gelungenen Seiten unserer Geschichte.“ Er sprach sich deutlich für den Sockel des ehemaligen Nationaldenkmals für Kaiser Wilhelm aus, denn die Schale der Einheit werde als Kontrapunkt funktionieren. Als damaliger Bauherr des Holocaust-Mahnmals erinnerte er daran, dass häufig erst in dem Moment, in dem gebaut wird, die letzten Einwände widerlegt werden könnten.

Wie wird sich das Denkmal bewähren?

Der Entwurf von Milla mag zwar „sympathisch“ sein, wie der im Begleittext selbst erklärt, da er zum Mitmachen einlädt. Das Stichwort „Bürgerbewegung“ ist wörtlich gemeint. Aber die bereits von der Jury geäußerte Sorge, dass die monumentale Schale zu pathetisch erscheint, könnte sich gegen das Denkmal kehren. Am Ende wird es sich als Riesenspielzeug für Erwachsene erweisen. In der Nähe des Potsdamer Platzes existiert bereits ein entfernt vergleichbares Modell als „Kunst im öffentlichen Raum“: Riesenwippen zur Überspielung der Freiflächen zwischen den Bauten. Kinder hat man hier noch nicht gesehen. So könnte die Schaukel auf der Schlossfreiheit zum Dauer-Happening werden, mit dem Flair eines Karussells, als Gegenprogramm zu den Kulturen der Welt, die später einmal im Humboldt-Forum residieren. Manch einer könnte sich da verschaukelt fühlen.

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