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Berlin: Hören, wo der Ball rollt

In Berlin-Reinickendorf fanden am Wochenende die deutschen Meisterschaften im Torball statt – eine Sportart nur für Blinde und Sehbehinderte

Berlin. Wie auf Kommando werfen sich die drei knieenden Spieler auf den Boden. Dort liegen sie dann für wenige Sekunden vollständig gestreckt auf der Seite und bilden eine Art menschliche Mauer vor ihrem sieben Meter breiten Tor. Der von der gegnerischen Mannschaft gerollte Ball, von der Größe eines Handballs, prallt an einem der Spieler ab. Die meisten der Spieler sind daher auch gepolstert, manche mit Tiefschutz, wie Lars Bosselmann. „Das kann nämlich ganz schön weh tun“, sagt der 23-Jährige vom Berliner Blindensportverein (BBSV). Am Samstag tat es dann auch öfter weh. In Reinickendorf fanden die deutschen Meisterschaften im Torball statt.

Die besten zehn Mannschaften waren angereist, viele der blinden und sehbehinderten Spieler kannten sich, die Stimmung war ausgelassen. So ausgelassen, dass der Schiedsrichter einige der spielfreien Torballer, die auf der Bank am Spielfeldrand saßen, während ihre Konkurrenten noch um den Sieg kämpften, hin und wieder ermahnen musste, doch ruhig zu sein. Denn Ruhe ist für die Spieler, die wegen der Chancengleichheit alle eine lichtundurchlässige Augenbinde tragen, die wichtigste Voraussetzung. Sie müssen den Ball, der mit kleinen Metallglöckchen gefüllt ist, hören können, wenn er sich bewegt. Daran orientieren sie sich und reagieren entsprechend. Das ist anstrengend und erfordert eine hohe Konzentrationsfähigkeit, findet Bosselmann. Der Berliner agiert zwischen seinen beiden Mitspielern im Zentrum vor dem Tor. Nicht wie ein Libero, eher „wie Didi Hamann, als Staubsauger vor der Abwehr," sagt Bosselmann lachend.

Der Trick beim Torball ist es, den Gegner zu täuschen. Entweder, indem man den 480 Gramm schweren Ball möglichst so rollt, dass er leise ist. Oder, indem der Ball innerhalb der dreiköpfigen Mannschaft hin und her gepasst wird. Die Gegenspieler, die sich vor ihrem 1,30 Meter hohen Tor befinden, sollen dadurch nicht mitbekommen, von welcher Position aus der Ball über das sieben Meter breite und 16 Meter lange Spielfeld gerollt wird. Bei den eingespielten Teams geht das alles ganz schnell. Abwehr und Konter laufen wie von selbst.

Bei den Berlinern klappt das allerdings nicht immer. Dafür trainieren sie auch zu wenig, nur zweieinhalb Stunden pro Woche. Die besten Teams – sie kommen aus Bayern – üben dagegen jeden Tag. So weit ist man in Berlin aber noch nicht, der BBSV ist bisher auch der einzige Verein, der den Sport in der Hauptstadt anbietet. Weltweit ist die Sportart, die Ende der 60er-Jahre aus Tirol nach Deutschland gekommen ist, auch gerade erst dabei, sich zu etablieren. Im letzten Jahr fanden die ersten Weltmeisterschaften statt. Bestrebungen laufen, das Spiel olympisch zu machen, aber das wird noch einige Jahre dauern. In der Zwischenzeit wird das Berliner Team weiter trainieren.

Beispielsweise die Technik des Wurfs, denn da gibt es durchaus Feinheiten. Entweder man zieht voll durch, dabei stehen die Spieler und wuchten den Ball mit gestrecktem Arm auf das gegnerische Tor. Oder der Ball wird so geworfen, dass er unter die drei 40 Zentimeter hohen Leinen, die in der Mitte des Spielfeldes gespannt sind, hindurchrollt und dann vor den auf den Boden liegenden Verteidigern hochspringt. „Diese Sprungwürfe sind aber ziemlich schwer“, sagt Bosselmann. Zumal sie mit einem Strafwurf geahndet werden, wenn der Ball eine der Leinen berührt. Beim Strafstoß darf das Tor dann nur noch von zwei statt von drei Spielern verteidigt werden.

Am Ende der Meisterschaften belegten die Berliner den achten Platz. Im Endspiel siegte das Team aus Landshut gegen München. Aber das ist alles nicht so schlimm für die Berliner. „Es kommt auf den Teamgeist an“, sagt Bosselmanns Kollege Roland Zimmermann. Beim Hauptstadt-Team sei dieser vorhanden, aber in der Liga keine Selbstverständlichkeit, sagt Zimmermann weiter. „Andere dagegen meckern sich an.“ So weit ist alles ganz normal beim Torball.

Jörg Petrasch

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