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Berlin: Hoffnung auf ein neues Leben

Seit zwölf Jahren werden in der Brandenburg-Klinik krebskranke Kinder behandelt

Bernau - In ihrer großen Verzweiflung hatte sich die Frau mit ihrer elfjährigen Tochter Katja aus der Ukraine über Weißrussland bis in die Einöde zwischen Bernau und Wandlitz durchgeschlagen. Hier erwartete sie Hilfe für ihr an Krebs erkranktes Mädchen. Alles hatte sie dafür drangegeben, ihre Wohnung, ihren Beruf und ihre Ersparnisse. Ohne einen Cent standen die beiden im Herbst vor der Tür der Brandenburg-Klinik. Nur den Zettel mit der Wandlitzer Adresse hielt die Mutter in der Hand. Die ist in ganz Weißrussland und in der Ukraine bekannt.

Seit zwölf Jahren kümmert sich der Verein „Hilfe für krebskranke Tschernobyl-Kinder“ um kranke Kinder aus den Gebieten, die von der Reaktorkatastrophe vor 20 Jahren betroffen waren. Seit 1994 kommen jährlich bis zu 90 Kranke in die Brandenburg-Klinik. Finanziert wird der meist sechswöchige Aufenthalt der Kinder und eines Angehörigen durch Spenden, Einnahmen von Benefizkonzerten und durch die Überweisung von gerichtlich angeordneten Bußgeldern. 403 000 Euro kamen vergangenes Jahr zusammen.

„Wir arbeiten sehr eng mit der onkologischen Kinderklinik in Minsk zusammen“, sagt Stationsärztin Nicole Schunga. „Gemeinsam mit den dortigen Ärzten beraten wir über komplizierte Erkrankungen, für die wir in unserer Klinik einfach bessere Geräte haben.“ Diese Kinder würden dann eingeladen. Der Verein trägt alle Kosten, auch die des Transports. Nur in Ausnahmefällen machen sich Mütter mit ihren Kindern auf eigene Faust zur Klinik auf, die sich auf dem Gelände der früheren SED-Politbüro-Siedlung in Wandlitz befindet.

Die elfjährige Katja erhielt hier nicht nur eine Prothese. Bei Untersuchungen stellten die Ärzte auch einen Tumor in der Lunge fest. Das Mädchen wurde operiert und erhielt eine Chemotherapie. Aus dem ursprünglich für einige Wochen geplanten Aufenthalt wurden mehrere Monate.

Die Klinik ist spezialisiert auf Hirn- und Knochentumore. Manchmal müssten die Patienten sogar gegen zwei Krebsarten gleichzeitig kämpfen. Ob die Ärzte viel über die Reaktorkatastrophe sprechen? In der täglichen Arbeit spiele die Debatte über die Ursachen der Erkrankungen keine besondere Rolle, sagt die Stationsärztin. Es gebe unterschiedliche Studien über die Auswirkungen des Unglücks. Wahrscheinlich seien auch in Weißrussland und in der Ukraine nicht alle Erkrankungen auf das Unglück zurückzuführen. „Aber die Häufung der Fälle gerade bei Kindern stimmt schon bedenklich“, sagt Nicole Schunga.

Doch nicht nur die Kunst der Ärzte bei Operationen hilft den Patienten der Kinderkrebsstation. Fast genauso wichtig ist die Abwechslung vom manchmal hektischen oder mitunter trostlosen Alltag in der Heimat. So gehören Besuche im Berliner Zoo, im Friedrichstadtpalast, in der Komischen Oper oder im Info-Zentrum der Schorfheide in Angermünde zum Besuchsprogramm. Manchmal erlebe man richtige Wunder mit den Kindern, sagen die Mitglieder des Vereins. Manche seien gar nicht mehr wiederzuerkennen, wenn sie die Klinik verlassen. Die Bein- oder Knieprothesen verhalfen ihnen zu einem neuen Leben, die Blindenschrift schließt sie nicht mehr von der Schule aus, und die erlernten Übungen stärken ihre Kondition.

Das nächste Benefizkonzert des Vereins für die Hilfe für krebskranke Tschernobyl-Kinder findet am 6. Mai um 16 Uhr in der Kreuzkirche in Berlin-Schmargendorf statt. Weitere Informationen unter www.tschernobyl-kinder.de.

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