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Berlin: Hoffnung im Traditionsgeschäft

Auch nach der Insolvenz geht der Verkauf beim Elektrohändler Tilo Stöhr weiter. Rettung scheint möglich

Tilo Stöhr junior holt eine Fotografie auf seinem Schreibtisch zu sich heran, behutsam, als handele es sich um ein Kleinod. „Das ist Tilo Stöhr senior.“ Einen Schnauzer und etwas längere Haare hat der ältere Herr im Frack, lässig steht er neben seiner Frau auf dem Tanzparkett beim Presseball 2002 im ICC. Damals kam sein mehr als 40 Jahre altes Charlottenburger Traditionsgeschäft für Haushalts,- TV- und Hifi-Geräte finanziell noch recht gut über die Runden, und der Senior dachte sich immer wieder neue Werbesprüche aus – wie diesen: „Das elfte Gebot ist Stöhrs Angebot.“ Er sei eben ein Kaufmann mit kabarettistischer Ader gewesen, sagt der Sohn. Doch 2005, als der Vater 75-jährig starb, musste das Familienunternehmen schon ums Überleben kämpfen. In dieser Woche meldete Tilo Stöhr junior (33) Insolvenz an.

Gemeinsam mit seinem Bruder Norman (31) hat er die Geschäftsführung in jenem gründerzeitlichen Haus übernommen, in dem der Vater 1960 seinen Laden gründete, das er später erwarb und mit seinen Werbespots bekannt machte: „Tilo Stöhr bietet mehr – Kaiserdamm 113.“ Hier sind sie mit fünf Geschwistern in einer Wohnung über den Verkaufsetagen aufgewachsen, wo man bis heute die Waschmaschinen und Bildschirme in hohen, etwas verwinkelten Alt-Berliner Räumen findet, zu denen man mit dem historischen Lift im Treppenhaus gelangt. Ein überraschendes Einkaufserlebnis im Vergleich zu üblichen Elektro-Großmärkten.

Tilo Stöhr, blütenweißes Designerhemd, kurze blonde Haare, sitzt im einstigen Arbeitszimmer des Seniors hinter dessen Schreibtisch und denkt nicht ans Aufgeben – schon alleine wegen der dreißig Mitarbeiter im Charlottenburger Stammhaus und einer Filiale in Spandau. „Einige sind schon ein Vierteljahrhundert dabei“, zum Beispiel Emmanuel Osei aus Ghana im HiFi-Raum. Den Insolvenzantrag habe er beim Amtsgericht Charlottenburg selbst gestellt wegen Schulden in Höhe von 96 000 Euro. Kein Gläubiger habe ihn unter Druck gesetzt, der Geschäftsbetrieb laufe uneingeschränkt weiter, „wir werden normal mit Waren versorgt“.

Auch Insolvenzverwalter Udo Feser ist optimistisch. „Ich will hier sanieren und nicht liquidieren.“ Eine Lösung habe er allerdings noch nicht gefunden. Wieso die Firma in Finanznot geriet? Zum einen wegen des „Verdrängungswettbewerbes“ und der „Werbewalzen“ der Großmärkte. „Wir sind von Wölfen umgeben“, sagt Stöhr. Zum anderen, „weil die Leute weniger Geld haben und länger warten, bevor sie sich einen neuen Fernseher kaufen“.

In punkto Preis und Qualität könne man aber gut mithalten. Und beim persönlichen Service halten sich die Stöhrs ohnehin für unschlagbar. „Bei uns packt jeder an, vom Fachmann bis zum Familienmitglied.“ Auf dieses Markenzeichen wollen die Brüder weiter setzen. Um es unter die Berliner zu bringen, dachte sich ihr Vater seit den 80er Jahren 700 Werbesprüche fürs Radio aus. Die Schauspieler Edith Hanke und Wolfgang Gruner berlinerten sie ins Mikro, bis sich die Slogans in allen Köpfen festsetzten. Als 2002 der neue Senat gewählt wurde, präsentierte ein TV-Reporter den Finanzsenator. „Bei mir habe ich jetzt Tilo Stöhr … äh, Verzeihung – ich meine natürlich Thilo Sarrazin.“

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