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Berlin: Hohe Kunst auf dem flachen Land

Das Staatstheater Cottbus feiert ab heute sein 100-jähriges Bestehen

Cottbus - Dieses Haus! Wer von 100 Jahren Cottbuser Theater erzählt, muss es unbedingt gleich zu Beginn erwähnen. Denn es hat die Geschichte des Theaters entscheidend geprägt. Wie ein ägyptischer Tempel sieht es im einen Augenblick aus, im nächsten wie der Einsteinturm in Caputh. Im Inneren, unter dem großen Lichterhimmel des Foyers, meint man dann, in Schinkels Bühnenbild zur „Zauberflöte“ zu stehen. Ein Bau, der sich nicht festlegen lässt und doch alles andere ist als beliebig.

Intendant Martin Schüler wirkt sehr zufrieden, während er die aktuellen Proben zur „Walküre“ unterbricht und sich gemütlich auf einer Luis XIV.-Couch aus der Rosenkavalierinszenierung wälzt. Er hat auch Grund dazu. Die Auslastung der 620 Plätze liegt derzeit bei fast 80 Prozent. Inzwischen kommt ein fester Sockel von zehn Prozent der Besucher aus Berlin. Das liegt zum einen an den günstigen Tickets. Zum anderen ist das Haus aber auch so beliebt, weil es hier eine Theaterästhetik gibt, die in Berlin oft nicht mehr zu finden ist – und dass sie in Cottbus noch existiert, ist nach den Ereignissen der vergangenen 100 Jahre wohl ein kleines Wunder.

Im Jahr 1905 ist Cottbus eine aufstrebende Bürgerstadt, die mit ihren Textilfabriken die Reichshauptstadt beliefert. Die Bürger und Industriellen wollen einen repräsentativen Neubau als Ersatz für das bisherige Theater am Stadtmarkt – also spenden sie dafür. Entwerfen soll es der Architekt Bernhard Sehring, der zehn Jahre zuvor mit dem Theater des Westens in Berlin Aufsehen erregte. Der Theaterbau in Cottbus gilt als reifeste architektonische Leistung von Sehring, der 1941 stirbt. Es ist ein Bauwerk des sezessionistischen Jugendstils. 1907 schon ist Grundsteinlegung, am 1. Oktober 1908 hebt sich zum ersten Mal der Vorhang.

Als wollten sie ihre Kulturbarbarei illustrieren, nutzen die Nazis das Cottbuser Haus als Munitionslager. Es bleibt von einem größeren Bombenangriff im Februar 1945 verschont. Glücklicherweise weigert sich auch Paul Geisler, Kommandant im „Volkssturm“, den Befehl zur Sprengung auszuführen.

Wie überall in Ostdeutschland befiehlt die sowjetische Militäradministration nach dem Krieg, das Theater so schnell wie möglich wiederzueröffnen. Das geschieht schon am 23. Juni 1945 mit einem ausverkauften „Bunten Abend“. Birgit Mache lächelt und strahlt, während sie diese Geschichte erzählt. Die Dramaturgiesekretärin hat fünf Jahre lang an einem über 300 Seiten starken Bildband gearbeitet, der nun zum Jubiläum erscheint. Dass die Cottbuser ihr Haus lieben, zeigt sich auch daran, dass Birgit Mache bei ihren Recherchen keinerlei Probleme hatte, Material zu bekommen. „Wenn ich sage, dass ich vom Theater komme, renne ich offene Türen ein.“

Da das Ruhrgebiet in der Nachkriegszeit nicht mehr erreichbar ist, wird Cottbus zu einem Zentrum des Braunkohleabbaus. In den 70er Jahren überschreitet die Stadt die 100 000-Einwohner-Grenze. Dem Theater geht es gut, die Betriebe schicken ihre Belegschaft im Kollektiv ins Haus. Doch nach der Wende kommt die Krise. Die Menschen haben anderes zu tun als ins Theater zu gehen. Rettung bringt 1992 die Ernennung zum Staatstheater. Jetzt tragen das Land mit 51 Prozent und die Stadt mit 49 Prozent gemeinsam das Haus.

Heute ist das Cottbuser Theater vollends in die Rolle des Staatstheaters hineingewachsen. Nach dem Ende des Musiktheaters in Brandenburg an der Havel ist das Haus am Schillerplatz das einzige im Land, das große Oper – also Wagner und Strauss – produzieren kann. Ein neuer Vertrag regelt die Gastspiele in den Theaterverbund-Städten Frankfurt (Oder), Brandenburg und Potsdam.

Intendant Schüler legt bei den Inszenierungen großen Wert auf Texttreue, würde sie jedoch nie konservativ nennen. Kulissen und Ausstattungen sind minimalistisch, modern. „Aber ich muss nicht überall kleine Rülpser von mir geben, um aufzufallen“, sagt er. Seit 1993 arbeitet er hier, seit 2003 als Intendant, hat nie einen Grund gesehen, von hier wegzugehen. Warum auch? So ein Haus findet er nie wieder. Udo Badelt

Seinen 100. Geburtstag feiert das Cottbuser Staatstheater ab heute mit einer Festwoche. Ab 9 Uhr sind heute Kinder zu einem „Märchenhaften Geburtstag“ eingeladen. Abends wird ab 19 Uhr festlich und mit prominenten Gästen, unter anderem Bundespräsident Horst Köhler, gefeiert. Die Festveranstaltung wird live auf den Schillerplatz übertragen. Weiteres unter: www.staatstheater-cottbus.de.

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