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Berlin: Hohe Taxi-Politik

450 Taxifahrer demonstrierten gestern in Berlin, andere blieben weg, weil die Demo eine „Parteiveranstaltung“ sei

Von Jörn Hasselmann

Erst sprach die CDU, dann die FDP und als Drittes die CSU. Dann kam einige Zeit gar nichts – bis sich eine grüne Bundestagsabgeordnete bei den Taxifahrern auf die Bühne traute. Die Branche demonstrierte gestern unübersehbar und unüberhörbar für vieles und gegen vieles; letztlich aber für eines: mehr Geld. Es kamen weniger als vom Taxiverband Deutschland (TVD) angekündigt. Nach Zählung der Polizei waren es 450 Fahrzeuge, die mittags auf der Straße des 17. Juni parkten, einige Dutzend darunter auch aus München, Stuttgart und Hamburg.

Dass es nicht die erhofften 3000 waren, hatte aus Sicht der Nicht-Demonstranten einen Grund: „Die machen ’ne Parteiveranstaltung kurz vor der Wahl“, kritisierte eine Frau, die vor dem KaDeWe auf Kunden wartete, während der hellelfenbeinfarbene Demonstrationszug über den Tauentzien hupte. So sahen es auch ihre Kollegen, der Warteplatz vor dem Kaufhaus war mit zwölf Droschken so voll wie immer. Einer schimpfte auf den Vorstand des Verbandes, ein Dritter meinte, nur ein 24-stündiger Generalstreik würde etwas erreichen. „Wenn hier die 100 Taxis vorbeifahren, denken die Leute doch, wir feiern ein Fest.“

Gefeiert wurde auf der Bühne am Brandenburger Tor derweil CDU-Chef Stölzl („Ich bin leidenschaftlicher Taxifahrer!“), FPD–Mann Westerwelle („Die Ökosteuer muss weg.“) und auch Michael Glos von der CSU machte auf Taxifahrer-Versteher. Von der Zahl der Konzessionen, dem drängendsten Problem der Branche, sprach keiner von den Dreien, kritisierte ein Hamburger Fahrer: Die biedern sich doch alle nur an.“ Aber in dieser Runde war das eine Minderheitsmeinung; Rot-Grün fand hier wenig Freunde.

Als nach einer Pause die grüne Abgeordnete Franziska Eichstädt-Bohlig auf die Bühne kletterte, wurde sie ausgepfiffen. Als sie herunterkletterte, klatschten fast alle. Denn die Grüne traute sich als Erste an die Probleme der Branche heran. „5000 Konzessionen in Berlin sind genug“, rief sie, und Applaus brandete über den Platz. Derzeit gibt es 6900 Konzessionen in Berlin, ein Vergabestopp wurde vom Gericht, wie berichtet, aufgehoben. Zu viele Taxis drängeln sich um zu wenige Kunden. „Ich muss 280 Stunden im Monat fahren“, sagte eine nicht demonstrierende Fahrerin vor dem KaDeWe: „Ich kann mir das nicht leisten, für eine Demo zwei Stunden Sprit zu verballern.“

Doch mit Spritsparen haben es die Kollegen nicht so, meinte später am Brandenburger Tor ein Hamburger Fahrer. „Wieso kaufen sich denn alle einen PS-starken Daimler“, fragte er: „Weil sie brettern wollen.“ Die Berliner Mehrheit auf und vor der Bühne dagegen schimpfte lieber gegen die Ökosteuer. Eichstädt-Bohlig umschiffte allerdings selbst diese Klippe, indem sie eine Ausnahme für Taxifahrer von der Ökosteuer forderte. Und PDS-Frau Petra Pau erwarb sich als letzte Rednerin Sympathien, weil sie gegen die Parkplatzgebühr in Tegel war. „Wir wollten mit der Demo Politikern aller Parteien klarmachen, dass es so mit dem Gewerbe nicht weitergeht“, sagte TVD-Vorsitzender Peter Kristan. Bis auf die SPD (“von denen war niemand bereit“) kamen auch alle zum Zuhören – und um für die eigene Partei zu werben.

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