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Hohenschönhausen: "Gerechtigkeit braucht langen Atem"

Wenn der Bundespräsident eine Gedenkstätte wie das ehemalige Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen besucht, darf man das getrost auch als politisches Signal verstehen.

Berlin - Köhler sei "bedrückt", sagt er in Begleitung seiner Frau Eva Luise mit ernster Miene nach einem Rundgang über das Gelände, das als eines der Symbole des DDR-Unrechtsregimes gilt.

Inmitten der zum Geschichtsmuseum umfunktionierten Wachtürme und von Stacheldraht umsäumten Gefängnisbarracken zeigt sich Köhler entsetzt über die Methoden, mit denen die DDR die Dissidenten unterdrückt hat. Dann aber schlägt der Präsident den Bogen von der Vergangenheit zur Gegenwart: Inakzeptabel sei auch, wie mit den Opfern heute umgegangen werde. Ehemalige Häftlinge hätten ihm berichtet, dass ihnen nicht die "nötige Aufmerksamkeit" geschenkt werde.

Unmenschliche Haftbedingungen

Gemeinsam mit dem Direktor der Gedenkstätte, Hubertus Knabe, hatte das Ehepaar Köhler zuvor einen Rundgang über das Gelände unternommen und sich anschließend eine knappe Stunde lang von den ehemaligen Häftlingen deren aktuelle Sorgen schildern lassen. Dem "ersten Wunsch" der Opfer nach einer angemessenen Entschädigung werde offenbar nicht nachgekommen, betont Köhler nach der Begegnung.

Knapp 40 Jahre lang befand sich auf dem Gelände die zentrale Untersuchungshaftanstalt des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). In 120 Vernehmungszimmern fanden stundenlange Verhöre statt. Die Haftbedingungen für die politisch Verfolgten waren unmenschlich: Tag und Nacht brannte in den fensterlosen Zellen das Licht, immer wieder wurden die Gefangenen aus dem Schlaf aufgescheucht, und nur das Wasser aus der Toilettenspülung war genießbar.

Köhlers Besuch fällt in eine Zeit, in der über die Aufarbeitung der DDR-Diktatur gestritten wird. Die Regelüberprüfungen auf Stasi-Mitarbeit laufen nach jetziger Gesetzeslage Ende des Jahres aus. Eine gemeinsame Gesetzesnovelle von SPD, Union und Grünen sollte die Überprüfungen künftig auf gehobene Beamte, Politiker und Richter beschränken und zudem an einen Verdacht knüpfen. Dagegen haben sich vor allem ehemalige DDR-Bürgerrechtler und Politiker aus den neuen Ländern gewandt, die einen Schlussstrich unter die Stasi-Aufarbeitung befürchten. Die für vergangenen Freitag geplante Abstimmung im Bundestag wurde gerade auf Drängen der Union um zwei Wochen verschoben.

Erinnerung dürfe nicht "verblassen"

Köhler macht sich für eine Weiterführung der Aufarbeitung stark. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass die Erinnerung an das SED-Unrechtsregime "verblasst". In das laufende Gesetzgebungsverfahren um die Novelle des Stasiunterlagengesetzes wolle er sich zwar nicht einmischen, doch hätten es die Opfer "verdient, dass ihnen besser zugehört wird". Im Gästebuch der Gedenkstätte hinterlässt Köhler eine klare Mahnung: "Hier darf nichts vergessen werden und Gerechtigkeit zu schaffen, braucht einen langen Atem."

Als Köhler auf dem Gelände zufällig der Schulklasse eines Celler Gymnasiums begegnet, fragt er die Schüler spontan, ob das Thema DDR denn auch schon in ihrem Unterricht behandelt worden sei. Zudem will er wissen, ob die Gymnasiasten auch vom damaligen Stasi-Chef Erich Mielke gehört hätten. Beides bejahen die Schüler, Köhler nickt zufrieden. (Von Haiko Prengel, ddp)

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