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Berlin: Hola Berlin!

Trotz oder gerade wegen der Krise in ihrer Heimat kommen immer mehr Spanier auf Besuch nach Berlin. Wie erleben sie die Stadt? Wir haben Familie Fernández aus Barcelona begleitet – und ihr Tagebuch geschrieben.

PRÒLOGO – PROLOG

AUF EIGENE FAUST

Der Vater: In welche Stadt wollt ihr diesen Sommer? Das fragen wir unsere Kinder jedes Jahr, das haben wir sie auch in diesem Jahr gefragt. In Paris und London waren wir schon, jetzt lautete die Antwort: Berlin. Endlich, wie ich fand, denn nach Berlin wollte ich schon lange einmal reisen. Seit Jahren hören wir von Freunden und Bekannten, Berlin sei die spannendste Stadt Europas. Also habe ich vier Flüge und ein Hotel im Zentrum gebucht und einen Reiseführer gekauft.

Vor allem die deutsche Geschichte interessiert uns schon lange sehr – zumindest meine Frau und mich. Wir sehen gern im Fernsehen Dokumentationen über Hitler und den Zweiten Weltkrieg an. Die historischen Orte einmal selbst zu besuchen – darauf freue ich mich daher nun besonders.

Als wir die Koffer packten, habe ich mich allerdings schon gefragt, ob es überhaupt der richtige Moment ist, um nach Deutschland zu reisen. In den spanischen Zeitungen liest man ja gerade häufig, dass die Deutschen keine gute Meinung von uns Spaniern haben, dass sie denken, wir seien faul und sie müssten jetzt im Rahmen der Euro-Krise für unsere Fehler bezahlen. Aber diese Bedenken habe ich schließlich beiseitegeschoben – zu groß war doch meine Neugierde. Außerdem haben wir eine Familientradition: Was die Kinder entscheiden, wird, wenn es irgend geht, gemacht – zumindest, was den Urlaub angeht.

Bei der Reise müssen wir allerdings durchaus ein wenig aufs Geld achten. Meine Frau hat gerade ihren Job als Aufseherin in einer Grundschule verloren, mein Beamtengehalt ist gekürzt worden und die Aussichten sind nicht gut. Mein Sohn macht eine Ausbildung zum Informatiker. Ob er danach einen Job findet, ist sehr unsicher. Mehr als die Hälfte der unter 25-Jährigen ist in Spanien arbeitslos! Meine Tochter soll deshalb studieren, bis es wieder besser läuft.

Geführte Touren werden wir deshalb nicht mitmachen. Auf eigene Faust die Stadt zu erkunden, finde ich sowieso spannender. Nur für den ersten Tag habe ich eine Führung gebucht, damit wir ein Gefühl für die Stadt bekommen, bei einer Firma, die von Spaniern geführt wird.

Die Mutter: Ich fand die Idee, nach Berlin zu fahren, gleich gut. Aber ich habe keine großen Erwartungen. Wenn ich an Berlin denke, stelle ich mir eine triste, graue Stadt vor. Das hat wahrscheinlich auch mit den Bildern aus den Filmen übers Dritte Reich zu tun, die wir oft ansehen.

Die Tochter: In der Schule erzählen Freunde immer wieder, wie toll Berlin ist, also wollte ich auch hin. Was mich erwartet, weiß ich nicht so richtig. In der Schule sprechen wir wenig über Deutschland. Und die Filme über die Geschichte, die sich meine Eltern gern ansehen, interessieren mich nicht. Mich interessiert vor allem die Gegenwart, das coole Berlin, von dem ich so viel höre.

DIA UN – 1. TAG

BERLIN IST EINE BAUSTELLE

Der Vater: Was für ein kleiner Flughafen für die deutsche Hauptstadt! Das war mein erster Gedanke, als wir am späten Nachmittag in Tegel landeten. Der Flughafen von Barcelona ist dagegen riesig, der von Madrid erst recht. Für uns war es gut, dass der Flughafen so übersichtlich ist, so haben wir ohne Probleme unsere Bushaltestelle gefunden. Den Weg vom Flughafen zum Hotel hatte mir eine Rezeptionistin in einer Mail beschrieben. Leider sprechen wir kein Deutsch und nur schlecht Englisch, Schilder helfen uns deshalb kaum weiter.

Unser Hotel liegt mitten in der Stadt, in der Nähe der U-Bahn-Station Spittelmarkt. Zumindest heißt das Viertel Mitte. Aber es sieht hier gar nicht aus wie das Stadtzentrum. Ich verbinde mit „Innenstadt“ alte Gebäude. Aber es steht kein einziges altes Haus in der Nähe, es gibt nur neue Hochhäuser. Und die Gegend soll wohl noch moderner werden, überall sind Baustellen. Berlin scheint überhaupt eine einzige Baustelle zu sein. Auch als wir am Abend an der Prachtstraße Unter den Linden spazieren gingen, sahen wir überall Kräne und Bagger.

In der Nähe des Hotels haben wir später zufällig ein spanisches Restaurant entdeckt – und sind hineingegangen. Wir hatten Hunger und ein bisschen Angst davor, eine deutsche Speisekarte entziffern zu müssen. Das Essen war o.k., nichts Besonderes, aber wir wurden satt. Erstaunt hat uns, dass es ziemlich günstig war. Wir hatten erwartet, dass in Deutschland bestimmt alles sehr teuer sein würde.

DIA DOS – 2. TAG

AM SPANNENDSTEN IST HITLER

Der Vater: Kein guter Start in den Tag. Ein lautes Piepen hat uns heute um sieben Uhr geweckt. Meine Frau und ich dachten erst, wir hätten aus Versehen den Handy-Wecker zu früh gestellt. Aber beide Telefone waren aus. Weil wir nicht wussten, was das Geräusch bedeutete, blieben wir einfach liegen. Schließlich klingelte das Telefon und eine Frau redete aufgeregt erst auf Deutsch und dann auf Englisch auf mich ein. Ich verstand kein Wort. Irgendwann klopften unsere Kinder an der Tür und erklärten, das Piepen sei ein Feueralarm. Als wir draußen ankamen, kehrten die ersten Gäste schon wieder auf ihre Zimmer zurück. Fehlalarm.

Am Vormittag stand die geführte Tour durch die Innenstadt auf dem Programm, Treffpunkt war der Neptunbrunnen am Roten Rathaus. Gonzalo, ein junger Mann aus Andalusien, der seit fast zehn Jahren in Berlin wohnt, führte uns. Wir fanden ihn gleich sympathisch. Wie viele Katalanen stammen unsere Familien aus Südspanien, unsere Eltern sind in den 60er und 70er Jahren als Gastarbeiter nach Barcelona gegangen. Er war erstaunt, dass wir eine ganze Woche bleiben. Nach seiner Erfahrung bleiben die Spanier in der Regel nur drei Tage in Berlin, manche sogar weniger.

Die ganze Zeit machte Gonzalo Witze über die Deutschen. Über ihre Pünktlichkeit, ihre Korrektheit, über Merkel. Am besten fand ich, als er nachäffte, wie die Deutschen auf uns Spanier herabschauen, à la „Deren Fiesta zahlen wir nicht“. Er sprach damit genau meine Bedenken an. Allerdings muss ich gleich sagen, dass alle Deutschen sehr nett zu uns sind. Schade, dass wir uns aufgrund der Sprachbarriere leider nicht wirklich mit ihnen auseinandersetzen.

Gonzalo brachte uns zur ältesten Kirche der Stadt, sie stammt aus dem 12. Jahrhundert. In Barcelona ist die älteste Kirche 1200 Jahre alt. Gonzalo erzählte uns auch, dass Deutschland erst im Jahr 1871 gegründet wurde. Was für ein junger Staat!

Dann gingen wir weiter, noch einmal zur Straße Unter den Linden, vorbei an den Museen, Universitäten – und den Baustellen. Besonders spannend fanden wir den Checkpoint Charlie. Es ist fast unvorstellbar, dass noch in den 80er Jahren mitten durch Berlin eine Mauer verlief. Was für eine besondere Stimmung damals in der Stadt geherrscht haben muss. Damals wäre es wahrscheinlich noch spannender gewesen, nach Berlin zu fahren. Aber zu der Zeit habe ich gar nicht darüber nachgedacht, Deutschland zu besuchen.

Am aufregendsten fanden wir aber den Führerbunker, leider kann man nicht hinein. Aus einem Dokumentarfilm über den Zweiten Weltkrieg weiß ich, dass es Zweifel daran gibt, ob sich Hitler wirklich dort umgebracht hat oder ob er vielleicht doch geflohen ist. Gonzalo konnte mir dazu nur sagen, dass Hitlers Zahnarzt ihn angeblich anhand des Gebisses identifizieren konnte.

Anschließend sind wir zum Holocaust-Denkmal. Wir finden es beachtlich, dass die Deutschen die Größe haben, mitten in ihrer Hauptstadt mit solch einem riesigen Monument an ihre Schandtaten zu erinnern. Das Denkmal hat uns gut gefallen, vor allem aber den Kindern. Sie haben die ganze Zeit Verstecken gespielt.

Zum Abschluss gab uns Gonzalo noch ein paar Tipps für unseren Berlin-Aufenthalt: mindestens zehn Prozent Trinkgeld geben; die Speisekarte schließen, wenn man sein Essen ausgesucht hat, damit der Kellner kommt; Espresso bestellen, um richtigen Kaffee, wir ihn kennen, zu bekommen.

Am Abend haben wir uns dann zum ersten Mal in ein deutsches Restaurant getraut – mittags hatten wir an einem Stand nur ein paar Currywürste gegessen, die übrigens ziemlich lecker waren. Leider war die Karte in dem Restaurant nicht auf Spanisch. Der Kellner kam drei Mal an unseren Tisch, um zu fragen, ob wir schon gewählt haben – und wir hatten nicht einmal die Karte geschlossen. Erst dann ahnten wir, was wir bestellen sollten. Die Kinder und meine Frau gingen auf Nummer sicher und verlangten Pasta und Salat. Ich wollte einen Schweinebraten. Als das Essen kam, fehlten die Nudeln meiner Frau. Wir dachten, der Kellner würde sie bestimmt gleich bringen, und sagten nichts. Als wir schließlich nachfragten, sagte der Kellner, er könne die Nudeln nicht mehr bringen, die Küche sei jetzt schon geschlossen. Dabei war es noch nicht einmal zehn Uhr! Wie wenig entgegenkommend!

Die Tochter: Berlin gefällt mir echt gut, es ist so viel los. Besonders gern beobachte ich die Leute auf der Straße. Jeder ist anders gekleidet. In Barcelona sehen sich die Menschen viel ähnlicher. Entweder sie sind Hippies oder Anzugträger.

DIA TRES – 3. TAG

TOURISTALANDIA

Der Vater: Heute haben wir uns den ganzen Tag durch die Stadt treiben lassen. Bisher war übrigens an jedem Tag tolles Wetter. Erst sind wir wieder zum Checkpoint Charlie gelaufen und von dort ein wenig entlang der Mauer spaziert bis zum Potsdamer Platz. Dann waren im Tiergarten und am Schloss Bellevue. Vor dem Präsidentenpalast haben wir uns an den Skandal um den Ex-Präsidenten Christian Wulff erinnert – im spanischen Fernsehen wurde darüber viel berichtet – und wir haben diskutiert, ob es in Deutschland auch so viel Korruption gibt wie in Spanien. Ich bin der Meinung, dass Wulff nichts wirklich Schlimmes getan hat, vor allem, wenn man sich die spanischen Politiker ansieht. Und weil seine Vergehen in den Medien so ausgebreitet wurden, glaube ich, dass die Politiker hier normalerweise sehr korrekt handeln. Andernfalls hätte die Geschichte nicht ein solches Medienecho bekommen. Die Kinder sind aber der Ansicht, dass es in Deutschland genauso schlimm zugeht wie bei uns – und dass Politiker im Allgemeinen nutzlos sind. So denken in Spanien gerade die meisten Jugendlichen. Sie sind ziemlich frustriert.

Nach drei Tagen in der Stadt erlaube ich mir, eine erste Bilanz zu ziehen. Wir mögen die großen, breiten Straßen; das günstige und gute Essen; die vielen Bäume und Grünflächen. Uns gefällt nicht, dass es keine Trinkwasserbrunnen auf der Straße und keine Lebensmittelmärkte gibt und dass man sich in der Innenstadt wie in Touristalandia fühlt, weil neben uns noch so viele andere Touristen unterwegs sind.

DIA QUATRO – 4. TAG

GRAU UND HÄSSLICH

Der Vater: Den ganzen Tag hat es heute geregnet. Ich dachte, bei dem Wetter besuchen wir die Berliner Museen, wir waren im Alten Museum, im Neuen Museum und im Bode-Museum. Mir haben vor allem die Gebäude selbst gefallen, mit den alten Gemälden kann ich nicht so viel anfangen. Auch die Kinder waren nicht so begeistert, fürchte ich. Im Winter würde ich nicht nach Berlin fahren.

Die Tochter: Heute hat mir die Stadt nicht mehr so gut gefallen: Im Regen war alles grau und hässlich. Wie schrecklich es im Winter sein muss, hier zu leben! Außerdem haben mich die Museen ein bisschen gelangweilt.

DIA CINCO – 5. TAG

DER DEUTSCHE KOMPLEX

Der Vater: Ein Tag voller Eindrücke. Wir waren im Konzentrationslager Sachsenhausen und zwar auf eigene Faust – wir wollten schließlich kein Geld für eine geführte Tour ausgeben. Schon die Anfahrt war aufregend. Ich hatte mir auf der Homepage einer spanischen Reiseagentur die Wegbeschreibung angesehen. Aber leider half uns das nicht weiter. Am Bahnhof Alexanderplatz fuhr nicht der Zug, den wir nehmen sollten. Nirgends fand ich jemanden, der uns Auskunft geben konnte. Doch wir hatten Glück: Plötzlich hörte ich, wie jemand auf Spanisch etwas über das Konzentrationslager Sachsenhausen erzählte. Es war eine spanische Reisegruppe! Unauffällig verfolgten wir sie bis nach Sachsenhausen. Auf dem Weg sind wir übrigens mindestens zehn weiteren spanischen Gruppen begegnet. Ich habe wirklich das Gefühl, Berlin ist voller Spanier! Auch in Sachsenhausen selbst waren vier von sieben Touren, denen wir begegnet sind, auf Spanisch.

In der Gedenkstätte holten wir uns zwei Audioguides, die Kinder wollten keine. Es war sehr heiß, die Sonne brannte auf dem Gelände fast wie an einem Sommertag in Barcelona. Von dem Audioguide erfuhren wir viel Allgemeines, was wir schon aus Dokumentarfilmen kannten: wie viele Juden die Deutschen umgebracht haben, wie grausam die Konzentrationslager waren, wie Hitler plante, alle Juden zu töten. Aber wir lernten auch viel Konkretes: wie das Leben im Lager organisiert war, welche Strafen es gab, wie die Häftlinge am Ende des Krieges versuchten zu fliehen, um dann doch größtenteils getötet zu werden.

Am meisten beeindruckte mich der Bericht eines Überlebenden, der einen Monat lang gefoltert wurde, weil er ein Stück Brot geklaut hatte. Die Nazis nahmen ihm die Kleidung ab und sperrten ihn in eine kleinen Kammer ohne Licht. Regelmäßig wurde ihm kaltes Wasser über den Kopf geschüttet und er bekam tagelang nichts zu essen. Generell hatte ich mir das Leben im Konzentrationslager aber noch grausamer vorgestellt. Die Gefangenenlager unter dem spanischen Diktator Francisco Franco sahen, wenn ich mich richtig erinnere, so ähnlich aus wie Sachsenhausen.

Ich glaube überhaupt, die Deutschen sollten entspannter mit ihrer Vergangenheit umgehen und sich nicht immer fragen, wie Hitler passieren konnte. In Barcelona haben wir ein paar deutsche Bekannte und ich habe den Eindruck, sie haben einen Komplex wegen ihrer Geschichte. Immer müssen sie betonen, welch schlimme Dinge die Deutschen getan haben. Ich kann dazu nur sagen: Natürlich sind im Dritten Reich schreckliche Dinge geschehen. Aber in anderen Ländern, zum Beispiel bei uns, ist auch Fürchterliches passiert. Dass die Deutschen ihre Vergangenheit aufgearbeitet haben, finde ich im Prinzip ja gut – in Spanien werden jetzt noch Tote aus Massengräbern aus der Zeit des Bürgerkriegs identifiziert! Allerdings habe ich fast das Gefühl, die Deutschen haben sich bei all der Aufarbeitung daran gewöhnt, sich selbst zu geißeln, so dass sie gar nicht mehr anders können. Das finde ich übertrieben.

Die Tochter: Auf das Konzentrationslager hatte ich nicht so große Lust, wir sind hin, weil unsere Eltern das unbedingt wollten. Über Hitler und den Zweiten Weltkrieg haben wir in der Schule ganz kurz gesprochen – interessiert hat mich das nicht. Ich blicke nicht so gern zurück, sondern lieber nach vorne.

DIA SEIS – 6. TAG

SCHÖNE, TEURES POTSDAM

Der Vater: Weil wir noch ein wenig mehr von Deutschland sehen wollten als nur Berlin, sind wir heute nach Potsdam gefahren. Den Weg haben wir diesmal relativ schnell gefunden, es war auch ziemlich einfach, eine S-Bahn-Linie fährt schließlich direkt dorthin. Wir mussten nur eine Station finden, an der die richtige Bahn hält – ohne Sprachkenntnisse immer wieder ein Abenteuer. Es hat dann auch wieder ein wenig gedauert, um genau zu sein: fast eine Stunde.

Als wir schließlich in Potsdam ausstiegen, kamen sofort mehr als zehn Touranbieter auf uns zu, mindestens die Hälfte sprach uns direkt auf Spanisch an. Am Anfang haben wir sie noch freundlich abgewiesen, aber sie waren so aufdringlich, dass wir sie irgendwann einfach ignoriert haben. Und das ist wirklich nicht unsere Art. Auch Potsdam scheint ein bisschen Tourilandia zu sein.

Die Stadt hat uns dann aber trotzdem sehr gut gefallen, alles ist so sauber und elegant, viel sauberer als in Berlin. Auf einem Platz in der Innenstadt fand gerade ein Lebensmittelmarkt statt. Die Waren sahen sehr gut aus, aber die Preise waren ziemlich hoch im Vergleich zu Spanien, vor allem für Fisch und Meeresfrüchte. Da habe ich das erste Mal gedacht, dass wir uns das Leben in Deutschland wohl nicht leisten könnten. Dass es in Potsdam auch ein Schloss gibt, haben wir übrigens erst gesehen, als wir schon wieder im Hotel waren – und im Reiseführer nachgelesen haben.

DIA SIETE – 7. TAG

AUF DER SUCHE NACH KREUZBERG

Der Vater: Unser letzter Tag – und dann haben wir auch noch am Mittag Unter den Linden Bekannte aus Barcelona getroffen. Was für ein Zufall! Als ich ihnen erzählte, wo wir gewesen waren – in Sachsenhausen, an der Mauer, am Führerbunker, am Holocaust-Denkmal, am Checkpoint Charlie – antworteten sie, die hässliche deutsche Vergangenheit interessiere sie nicht. Sofort fragte ich zurück, was sie sich denn angesehen hatten – denn ich kann mir nichts Spannenderes als die deutsche Geschichte vorstellen. Unsere Bekannten erzählten, dass sie in den Vierteln Kreuzberg, Prenzlauer Berg und Friedrichshain unterwegs waren. Vor allem von Kreuzberg schwärmten sie: Es sei dort so multikulturell, gebe so viele Cafés, Geschäfte, junge Leute, viele Türken und Araber. Von Kreuzberg hatte ich in unserem Reiseführer gelesen. Dort hieß es nur, es sei ein türkisches Viertel mit vielen Cafés und Kneipen. Da es dort aber keine besonderen Sehenswürdigkeiten gibt, hatte mich die Gegend gar nicht interessiert.

Nachdem unsere Bekannten aber so begeistert erzählt hatten, wollten meine Frau und die Kinder unbedingt nach Kreuzberg. Ich nahm also die Karte in die Hand und wir liefen los. Nach einer Stunde standen wir vor dem Jüdischen Museum, das laut Plan in Kreuzberg liegt. Aber die Gegend sah so ähnlich aus wie Mitte, kein Café, keine Bar, keine jungen Leute waren in Sicht. Weil es schon später Nachmittag war und wir noch packen mussten, sind wir wieder umgekehrt.

Am Vormittag hatten wir am Alexanderplatz übrigens noch eine Ausstellung von Tierschützern gesehen. Es gab Essen ohne Fleisch, Eier, Milch und Käse – und viele fürchterliche Bilder von Massentierhaltungen. Wir alle fanden diesen extremen Tierschutz, der Fleischessern das Gefühl gibt, Mörder zu sein, ziemlich übertrieben.

Die Mutter: Mein Fazit ist durchweg positiv! Berlin ist ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Die Stadt ist bunt und sonnig, die Straßen, Cafés und Parks sind voller Menschen. Selbst an dem Regentag fand ich die Stadt freundlich. Wahrscheinlich hat mein guter Eindruck auch mit der Jahreszeit zu tun. Ich mag an der Stadt auch, dass man fast immer weit blicken kann. Die Zentren der spanischen Städten sind eng und verwinkelt, da sieht man höchstens ein paar Häuser weit. Ich würde gern wiederkommen. Vielleicht studiert eines unserer Kinder mal hier. Und vielleicht ist die Stadt dann endlich fertig gebaut.

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