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Das Jagdhorn muss mit. Ob zu Hause im Sessel oder im Wald auf dem Hochsitz – sein kleines Reisehorn hat Klaus Wallendorf immer dabei. Wenn er nicht tutet, schreibt er lustige Gedichte, Conférencen und nun auch Bücher.

© Doris Spiekermann-Klaas

Hommage an die 12 Cellisten: Horn der Heiterkeit

Klaus Wallendorf ist Blechbläser der Berliner Philharmoniker. Nun hat er ein spaßiges Buch gemacht.

Na so was. Es ist Freitagmorgen, und vor dem Schöneberger Gründerzeithaus, in dem Klaus Wallendorf wohnt, gehen pausenlos Menschen mit Instrumentenkoffern vorbei. In einer Viertelstunde sind es vier Erwachsene und vier Kinder, alle getrennt unterwegs. Wie kann das sein? Der Hornist zuckt ratlos die Achseln. Er kommt schon seit vier Wochen nicht mehr aus dem Staunen heraus.

Heute ist die Zeitung da, gestern war er im Radio, und neben den Interviews gibt es Lesungen und Auftritte. So geht das bei Wallendorf, seit sein erstes Buch erschienen ist: „Immer Ärger mit dem Cello. Liebeserklärung eines irrenden Waldhornisten an die streichenden Kollegen“. Er selbst tut die Sache lakonisch ab („Vorübergehende Scheinprominenz“) und bietet in der von Kinderspielzeug okkupierten Dachgeschosswohnung Tee an. Freuen tut ihn das Interesse natürlich doch: „Ich bin ganz gerührt darüber.“

Das gilt auch der Tatsache, dass der verschmitzte Herr seit mehr als 30 Jahren Mitglied der Berliner Philharmoniker ist – und das Buch eine Hommage an deren „12 Cellisten“, die kürzlich erst mit einem Konzert in der Philharmonie ihr 40. Bestehen feierten. Dass der Hornist nicht nur mit Tönen, sondern auch mit Worten kann, ist Klassikfans schon länger bekannt. Seit 1989, als er beim Tod von Herbert von Karajan mit einer vom Orchestervorstand in Auftrag gegebenen Nachrede debütierte, wirkt der inzwischen zum Gebrauchslyriker und Musikkabarettisten gereifte Unterhalter als orchesterinterner Laudator bei Jubiläen oder Ehrungen und öffentlicher Conférencier etwa der Blechbläserensemble-Konzerte. Auch im außer- beziehungsweise eingeschränkt philharmonischen Rahmen ist Wallendorf mal ernst, aber meist scherzend aktiv: beispielsweise bei der Gruppe German Brass und beim demnächst wieder in der Bar jeder Vernunft gastierenden Ensemble Lachmusik, einer wechselnd besetzten Formation, in der sich vom bedeutungsschweren Klassikgeschäft ermüdete Philharmoniker – aufgewiegelt vom Hornisten – konzertanten Albernheiten hingeben.

Recherchieren musste Klaus Wallendorf für die von seinen Streicherkollegen bei ihm angefragte, eher liebevolle als dekuvrierende Plauderei aus dem Orchestergraben nicht groß. Von seiner Position im Blech aus hat er die weltberühmten Kniegeiger sowieso ständig im Blick. „Ich sitze ja seit 1980 dahinter.“ Der 1. September jenen Jahres ist der Tag, an dem der 1948 in Elgersburg in Thüringen geborene und in Düsseldorf aufgewachsene Musiker seinen Job am ersten Horn beim Orchester der Bayerischen Staatsoper gegen das dritte bei den Philharmonikern tauscht – weil der schon mit 16 nach dem Gewinn des Bundeswettbewerbs „Jugend musiziert“ in die Orchesterkarriere eingestiegene Musiker doch noch eine Stufe weiter will. Eine Idee, die ihn zwar die Solo-Partien kostet, aber trotzdem gut ist, wie er noch heute findet. Manche seien eben lieber zweiter Bürgermeister von München als Oberbürgermeister von Darmstadt, kalauert Wallendorf. Neidlos erzählt er, dass ein erster Hornist dieses Klangkörpers eine Art von Vollkommenheit braucht, die er selbst nur mit sehr großem Aufwand bewältigt hätte. „Wenn überhaupt.“ Wallendorf fühlt sich an seinem Platz unter den 130 Kollegen so wohl, wie es ein omnipräsenter Laudator muss. Fällt ihm auch nicht weiter schwer, er ist Harmoniemensch. „Simon Rattle auch. Und Schlägereien im Orchester gibt es im Moment sowieso keine.“ Die im Buch – neben Cello-Form, Cello-Funktion, Cello-Liebschaften, Musikerbiografien, Musikerdienstplänen, Musikerbesoldung – anekdotisch ausgeschlachteten Reibungen zwischen Dirigentendiven und Orchestermitgliedern gelten für ihn nicht. „Ich habe nie was Schlimmes auszustehen.“ Im Gegenteil, allmählich wird dem Hornisten mit Schrecken die nächstes Jahr nahende philharmonische Pensionsgrenze bewusst.

Als Trost kann er immerhin Paarreime oder musikalische Scherze, wie seine in Schnellsprechakrobatik gesungenen Liedlein dichten, und Sätze wie diesen sagen: „Ich fühle mich gut, wenn ich Horn und Mundstück in der Nähe habe.“ Wo Klaus Wallendorf auch geht und steht, das seit den Siebzigern in seinem Besitz befindliche Reise-Hörnchen, Marke Fürst-Pless, ist stets dabei. Nur in der Philharmonie ist das große im Einsatz. Wallendorf übt gerne in der freien Natur. Am rauschenden Wildbach, auf jägerfreien Hochsitzen, im Regenwald am Amazonas, wo es ihn mit dem Waldhorn halt so hintreibt. „Im Grunewald habe ich aber noch nicht getutet.“ Irgendwann will er die guten Plätze mal mit anderen Hornisten teilen. „Ich plane einen Welt-Übe-Führer.“ Das ist nur halb ernst gemeint, so wie Wallendorf auch nur halb Spaß am unvermeidlichen regelmäßigen Training der Lippenmuskulatur hat. Das ist für virtuoses Spiel auf dem selbst bei Profis nie ganz vor unkontrollierten Kieksern gefeiten Instrument unerlässlich. Wie Wallendorf zum Horn gekommen ist? „Per Zufall.“ Ach was.

Buch: Klaus Wallendorf „Immer Ärger mit dem Cello“, mit Illustrationen von F. W. Bernstein, Galiani Berlin, 16,99 Euro. Lesung: Mo 21.5., 19 Uhr, Dussmann-Kulturbühne (in Begleitung von vier der 12 Cellisten). Kleinkunst: Eine klitzekleine Lachmusik Mo 4.6., Die kleine Lachmusik Di 5.6., Bar jeder Vernunft, 19–22 Euro

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