zum Hauptinhalt

Berlin: Homosexuelle Opfer: Totgeschlagen, totgeschwiegen

Eigentlich ist das geplante Denkmal nichts Außergewöhnliches. Es hat eine Vorgeschichte, wie viele andere auch.

Eigentlich ist das geplante Denkmal nichts Außergewöhnliches. Es hat eine Vorgeschichte, wie viele andere auch. "Diese Vorgeschichte ist eine Gute", sagt Albert Eckert.

Er ist Sprecher einer Initiative mit dem sperrigen Namen "Der homosexuellen Opfer gedenken" und erinnert an die Weimarer Republik. Eine gute Zeit war das für die Lesben und Schwulen aus Deutschland und ganz Europa. Staatlicherseits gab es kaum Diskriminierungen und Berlin entpuppte sich zum Zentrum der Homosexuellen. Keine Stadt der Welt hatte so viele Bars und Clubs, so viele Vereine, in denen sich Schwule und Lesben zusammen fanden. Magnus Hirschfeld kämpfte in seinem Institut für Sexualwissenschaften für die Gleichberechtigung. Doch ab 1933 war alles anders. Die Nazis an der Macht verschärften den Paragrafen 175, der männliche Homosexualität unter Strafe stellte. Das Gesetz war Legitimation für Verfolgungen, Verhaftungen und Zwangskastrationen.

"50 000 Männer waren verfolgt, 20 000 inhaftiert", bilanziert Lea Rosh. "Die Bundesrepublik hat sich bislang mit dem Gedenken an die homosexuellen Opfer schwer getan", sagt Günter Dworek. Das soll jetzt anders werden.

Lea Rosh, die Förderkreis-Vorsitzende zur Errichtung eines Mahnmals für die ermordeten Juden Europas, und Günter Dworek als Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD) haben sich mit Albert Eckert zusammen getan und am Donnerstag einen öffentlichen Aufruf gestartet. "Die Bundeshauptstadt Berlin braucht einen Gedenkort für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen", heißt es da. Erste Unterzeichner sind unter anderem Günter Grass, Christa Wolf, DGB-Chef Dieter Schulte, sowie die Bischöfinnen Margot Käßmann und Maria Jepsen. Außerdem haben unterzeichnet: der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, sowie der Vorsitzende des Zentralrats der Sinti und Roma, Romani Rose.

Geplant ist ein Denkmal in der Nähe von Reichstag und künftigem Holocaust-Mahnmal. Bundestag und Budesregierung werden gemeinsam mit dem Abgeordnetenhaus und dem Senat von Berlin aufgefordert, sich dafür einzusetzen. "Es soll ein beständiges Zeichen gegen Intoleranz, Feindseligkeit und Ausgrenzung von Lesben und Schwulen sein", erläutert Dworek weiter und nennt als Beispiel das Homo-Monument in der Innenstadt von Amsterdam, nahe des Anne-Frank-Hauses. In Deutschland gibt es bislang lediglich drei aus Privatinitiativen errichtete und bezahlte Gedenktafeln in Frankfurt, Köln und Berlin. Am Nollendorfplatz lautet die Inschrift "Totgeschlagen, totgeschwiegen" und erinnert außerdem an die mangelnde Aufarbeitung des Unrechts nach dem Zweiten Weltkrieg.

Lea Rosh verteidigt das Konzept, für jede Opfergruppe des Nationalsozialismus ein Denkmal zu errichten: "Jede Gruppe hat ihre eigene, spezifische Leidensgeschichte." Homosexuelle seien, anders als Juden oder Sinti und Roma, nicht systematisch in den Konzentrationslagern ermordet worden. Lea Rosh weiter: "Dass gemeinsames Gedenken für alle Opfer nicht funktioniert, zeigt sich an der Neuen Wache." Dort wird an alle Opfer von "Krieg und Gewaltherrschaft" erinnert.

Die Initiative, seit 1995 mit der Denkmal-Diskussion befasst, fordert ein Mahnmal von "nationaler Bedeutung". Noch in diesem Jahr soll ein Beschluss gefasst werden, damit ein künstlerischer Wettbewerb ausgelobt stattfinden kann.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false