zum Hauptinhalt

Berlin: Horcht, was kommt von draußen rein

Politikwissenschaftler geben die Berliner CDU nicht verloren – und sie wissen Rat, wie sie wieder zu Kräften kommen kann

Es sind keine guten Tage für die Berliner CDU. Der herbeigehoffte Retter Klaus Töpfer fliegt in der Welt herum und interessiert sich nicht für die Hauptstadt- Union. Friedrich Merz lässt ausrichten, er stehe nicht zur Verfügung – für den Fall, dass sich noch einer aus dem Berliner Kandidatensuchkommando Hoffnung macht. Sogar ein renommiert-distanzierter Beobachter wie Lothar de Maizière legt maximalen Abstand zwischen sich und die Partei. Wer ihn fragt, wie es weitergehen soll mit der Hauptstadtpartei, die im Berliner Osten nicht ankommt, dem sagt de Maizière, er sei eine „Karteileiche“. Mit der Berliner CDU will er aktuell nichts zu tun haben.

Aus wissenschaftlicher Distanz betrachtet, wird die Lage nicht besser. Nein, sagt zum Beispiel der Politikwissenschaftler Peter Lösche, der in Göttingen lehrt und in Berlin viel Zeit verbringt, diese 22 Prozent waren „kein Unfall“. Sie stehen am vorläufigen Ende einer kontiniuierlichen „Entwicklung nach unten“, die viel mit der Bankenaffäre und mit der großen Koalition zu tun hat. Wie wenig Abstand die CDU von dieser Phase habe, zeigt sich für Lösche an der Kandidatur Eberhard Diepgens für den Bundestag.

Dennoch müssen die Parteifreunde um Ingo Schmitt nicht alle Hoffnung fahren lassen. Auch wenn sie in Nach-der-Bundestagswahl-ist-vor-der-Abgeordnetenhauswahl-Umfragen an der 20-ProzentGrenze gemessen werden, können sie sich sagen: Das kann sehr schnell besser werden. So sieht es jedenfalls die Wissenschaft in Gestalt des Parteienforschers Oskar Niedermayer. Wer dem Politikwissenschaftler mit der These kommt, die Zeit der Volksparteien sei vorbei und die Berliner CDU müsse sich einrichten, wo sie ist, den korrigiert Niedermayer nachhaltig. Erstens, meint er, besage das Bundestagswahlergebnis mit den schwächelnden Großparteien SPD, CDU und CSU noch nicht, dass diese Entwicklung von Dauer sei.

Um – zweitens – zu den Berliner Verhältnissen zu kommen: Keine sechs Jahre sei es her, dass die Hauptstadt-SPD an der 20-Prozent-Marke lag, geschwächt von der Teilhabe an der großen Koalition und von Umfrageergebnissen sogar um 19 Prozent. Im Herbst 1999 dachte ein SPD-Fraktionschef namens Klaus Böger öffentlich darüber nach, dass die SPD bei einem Ergebnis von unter 20 Prozent bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus besser nicht mehr mit der Union koalieren solle. Zwei Jahre und eine Wahl später stand die SPD schon zehn Prozentpunkte besser da als 1999 prognostiziert – nämlich bei 29,7 Prozent.

Lösche und Niedermayer ziehen allerdings unterschiedliche Schlüsse aus der Diagnose akuter Entkräftung, die der Berliner Union so zusetzt. Lösche sieht sie vor einer langen Erholungsphase. Die kann nur beginnen, wenn die CDU neue Leute nach oben bringt. Dem amtierenden Führungspersonal traut Lösche nicht viel zu, auch dann nicht, wenn es sich Klaus Töpfer unterstellen würde. „Mit so einer brüchigen Partei“, sagt Lösche, „hätte sogar Richard von Weizsäcker Schwierigkeiten, wenn er noch antreten würde“.

Kollege Niedermayer ist weniger skeptisch. Er würde der Berliner CDU durchaus eine radikale und schnelle Erholung zutrauen, ähnlich wie sie die SPD nach dem Bruch von 2001 durchlaufen hat. Denn bei der Bundestagswahl sei die Union für Ungerechtigkeiten bestraft worden, die die Wähler ihr zutrauten. Das aber ist für Niedermayer ein einmaliger Effekt – kein Hinweis auf strukturelle Schwächen der Volkspartei. Damit aus Schwäche Stärke wird, braucht es allerdings einen, der die Partei führt – „nach innen und nach außen“. An beidem fehlt es dieser Tage.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false