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Verunglückt. Die zwei kollidierten Hubschrauber der Bundespolizei wurden noch in der Nacht zum Freitag

© schroeder

Hubschrauberabsturz am Olympiastadion: Kritik am tödlichen Trainingseinsatz

Der Pilot, der den Unfall verursacht hat, wurde noch nicht vernommen. Doch schon regt sich Kritik: Die Opposition im Abgeordnetenhaus hält die Übung der Bundespolizei, bei der zwei Hubschrauber kollidierten, für unverhältnismäßig.

Bis die genauen Ursachen des tragischen Hubschrauberunglücks am Olympiastadion geklärt sind, bei dem am Donnerstag ein 42-jähriger Pilot ums Leben kam, wird voraussichtlich noch viel Zeit vergehen. Die Untersuchungen könnten bis Anfang 2014 andauern, teilte die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen (BFU) mit. Unterdessen ist eine heftige Debatte entbrannt, ob die Anti-Hooligan-Übung der Bundespolizei angesichts der schwierigen Wetterlage mit Schneetreiben und miserablen Sichtverhältnissen nicht hätte abgesagt werden müssen. Grüne und Linke im Abgeordnetenhaus rügen den Einsatz als „unverhältnismäßig“, die Koalitionsfraktionen von SPD und CDU stellen sich hinter die Bundespolizei. Wie berichtet waren bei der Übung zwei Helikopter kollidiert. Vier Beamte erlitten schwere Verletzungen, mehrere andere wurden leicht verletzt. Auch eine Journalistin erlitt Verletzungen.

Die Unglücksstelle am Maifeld gleich neben dem Olympiastadion.
Die Unglücksstelle am Maifeld gleich neben dem Olympiastadion.

© Tsp

Die Pilotenvereinigung Cockpit hält Schneeverwirbelungen für einen möglichen Auslöser der Kollision. In die Untersuchungen ist auch die Berliner Staatsanwaltschaft einbezogen. Sie müsse klären, ob ein strafrechtlich relevanter Tatbestand vorliege, sagte ein Sprecher. Die anfangs eingeschaltete Mordkommission der Berliner Polizei hat ihre Ermittlungen wieder eingestellt, nachdem eine Obduktion des getöteten Piloten ergab, dass dieser an den schweren Verletzung starb, die er bei dem Unglück erlitt.

Ob der andere Pilot, dessen Landung zu der Tragödie geführt hatte, zum Unfallhergang vernommen werden kann, ist laut Staatsanwaltschaft noch unklar. Er habe schwere Verletzungen erlitten, sei aber außer Lebensgefahr. Die Ermittler prüfen auch, ob die Hubschrauber überhaupt hätten landen dürfen.

Die Bundespolizei wollte bei der Großübung mit etwa 400 Beamten eine Auseinandersetzung mit Hooligans am S-Bahnhof Olympiastadion simulieren. In Berlin gibt es laut Polizei mehr als 1000 gewaltbereite Fans und 159 Personen der Kategorie C, die aktiv gewalttätige Auseinandersetzungen suchen. Während für die Sicherheit in Stadien grundsätzlich die Bereitschaftspolizei zuständig ist, kann die Bundespolizei bei Großlagen zu Hilfe gerufen werden. Sie überwacht außerdem jene Fans, die per Bahn anreisen.

Die drei Helikopter waren mit je rund zwanzig Einsatzpolizisten an Bord zur Verstärkung von einem Brandenburger Flugplatz aus zum Stadion gestartet. Sicher ist nach übereinstimmenden Berichten von Augenzeugen, dass der dritte Hubschrauber zu früh landete. So blieb nicht genug Zeit, in der sich der aufgewirbelte Schnee unter den Rotoren der zuvor niedergegangenen Helikopter hätte legen können. Die Maschine tauchte in die weiße Wand ein und setzte wahrscheinlich auf dem in zweiter Position gelandeten Hubschrauber auf. Unklar ist aber zum jetzigen Zeitpunkt, ob menschliches oder technisches Versagen die Ursache war.

Zum genauen Hergang und zur Kritik wollte sich die Bundespolizei auf Nachfrage nicht äußern, auch nicht etwa zu der Frage, warum nicht auf einer geräumten Fläche gelandet wurde. Auch welche rechtliche Grundlage es für die Übung gab, teilte sie mit Verweis auf die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht mit. Am Freitag gab es in vielen Dienststellen Andachten, an Gebäuden der Bundespolizei wehten die Fahnen auf Halbmast. Die Einsatzwagen der Bundes- und Landespolizei trugen Trauerflor.

Unterdessen mehren sich die kritischen Stimmen, die den Übungseinsatz als „aberwitzig“ oder „unangemessen“ verurteilen. Gefragt wird beispielsweise, ob es bei dem schwierigen Wetter nicht gereicht hätte, zwecks Pilotentraining nur eine Flugübung durchzuführen. Bei dem Manöver mit Einsatzkräften, die herbeigeflogen wurden, seien ja auch diese unnötig gefährdet worden. Aus Sicht von Benedikt Lux (Grüne) war schon das Szenario „unrealistisch“. Es sei unwahrscheinlich, dass viele Hooligans bei Eiseskälte und Schneetreiben am S-Bahnhof aufeinander losgingen. Lux: „Um einen Hubschraubereinsatz zu rechtfertigen, müsste es eine richtig große Prügelei geben.“ Die Bundespolizei hätte die Übung „sicherheitshalber“ absagen müssen. Für durchschnittliche Prügeleien hätte auch ein Trupp Polizisten im Mannschaftswagen gereicht. Der Polizei-Experte der Linken, Hakan Tas, sagte, ein solcher Einsatz wäre „nur bei einer echten Notlage“ gerechtfertigt gewesen. Linke und Grüne wollen diese Vorwürfe im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses zur Sprache bringen, sagte der linke Fraktionschef Udo Wolf. Der Fraktionschef der Piraten, Christopher Lauer, äußerte sich zurückhaltend. Zunächst müsse sich die Bundespolizei im Ausschuss erklären. Für Schuldzuweisungen sei es zu früh. Sprecher von SPD und CDU stellen sich hinter die Bundespolizei. Diese müsse auch in Extremsituationen einsatzfähig sein, sagt Thomas Kleineidam (SPD). „Sie kann ja nicht, wenn es wirklich notwendig ist, zu Hause bleiben.“ Und Robbin Juhnke (CDU) ergänzt, man wolle „keine Schönwetterpolizei“.

Der Vorsitzende der Berliner Polizeigewerkschaft, Bodo Pfalzgraf, sagte, man könne keine Übungen „unter Laborbedingungen“ veranstalten. Pfalzgraf: „Die Übung wäre doch sofort gestoppt worden, wenn die Piloten sie als zu gefährlich eingeschätzt hätten.“

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