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Foto: p-a/dpa

© dapd

Berlin: Humboldt durch die schwarze Brille Detlev Buck hat Daniel Kehlmanns „Vermessung der Welt“ verfilmt

Einer der ersten deutschen 3-D-Filme feiert Premiere am Potsdamer Platz.

Da hat der Buck den Kehlmann aber ganz schön geschönt. „Gefällt Ihnen Berlin?“, fragt Alexander von Humboldt seinen greisen Wissenschaftler-Kollegen, als er ihn als Gast beim Naturforscherkongress begrüßt. Nein, grantelt der alte Gauß, der zuerst seine Geburtsstadt Braunschweig und dann seine Universitätsstadt Göttingen zeitlebens nur im Notfall verlassen hat, „schreckliche Stadt“. Und wie steht es im Eingangskapitel von Daniel Kehlmanns Bestseller „Die Vermessung der Welt“, dessen Verfilmung von Detlev Buck am Dienstagabend im Sony Center am Potsdamer Platz Premiere feiern sollte? „Widerliche Stadt“ zischt der geniale Mathematiker da seinem Sohn Eugen beim Anblick „der ausufernden Siedlung an Europas sumpfigster Stelle“ zu. Zu sehen ist von den paar Berliner Drehtagen der am 25. Oktober im Kino startenden Romanverfilmung außer ein paar Hausfassaden eh nicht viel. Dafür jede Menge in Görlitz in der Oberlausitz eingefangenes, deftiges deutsches Kleinstadtflair des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts und wild wuchernder in Ecuador gefilmter südamerikanischer Urwald.

Dieser von exotischen Kreaturen bevölkerte Dschungel kommt in 3D sattgrün und saftig rüber. Seine Entscheidung, den 2005 erschienenen, allein in Deutschland weit mehr als zwei Millionen Mal verkauften Roman, in 3D zu verfilmen, begründet Detlev Buck so: „Die Geschichte verweigert sich einer normalen Drehbuchstruktur, weil es ja um zwei Lebensgeschichten gleichzeitig geht – von der Jugend bis zum Alter. Deshalb war es nötig, den Zuschauern eine andere Betrachtungsweise zu ermöglichen, und da kommt uns das Dreidimensionale gerade recht.“ Bucks in Charlottenburg sitzende Produktionsfirma Boje Buck hat den Film mitproduziert.

Im Film wie im Buch wird aus den wirklichen Leben des aus armen Verhältnissen stammenden Mathematikers und Astronomen Carl Friedrich Gauß (1777–1855) und des preußischen Barons, Naturforschers und Geografen Alexander von Humboldt (1769–1859) eine lose miteinander verzahnte fiktive Doppelbiografie. Dass das ausgerechnet in 3 D geschieht, findet der in Wien und Berlin lebende Daniel Kehlmann experimentell und aufregend. Einerseits böte die Technik mehr Realismus, andererseits aber auch mehr Distanzierung und Spielmöglichkeiten, sagt er. „So wirkt die fremde, künstliche Welt äußerst präsent.“ Er hat das Drehbuch mit Buck gemeinsam verfasst und auch die Erzählerstimme des Films eingelesen.

Zur Premiere am Potsdamer Platz hatte sich die gesamte Filmcrew angesagt. Dazu gehören Schauspieler wie Sunnyi Melles, die Humboldts Mutter spielt, die ihn wegen seiner für einen Adeligen unschicklichen und kostspieligen Forscherleidenschaft noch auf dem Totenbett wild verflucht. Außerdem David Kross als Gauß’ schroff herumkommandierter Sohn Eugen, Karl Markovics als sein Braunschweiger Lehrer, der das kleine Genie entdeckt und fördert und Katharina Thalbach als Gauß’ ihn lebenslang bemutternde Mama.

Schön zu sehen, dass Buck für die erste Historienkomödie seines an Komödien – zuletzt „Rubbeldiekatz“ – reichen Schaffens zwei Hauptdarsteller mit wenig abgenutzten Filmgesichtern besetzt hat: Florian David Fitz, der 2011 für „Vincent will Meer“ den Deutschen Filmpreis bekam, spielt den selbstbewussten, ob seines einsamen Genies in Misanthropie verfallenden Stubenhocker Gauß. Und Albrecht Abraham Schuch den ebenso egozentrischen, aber neugierig die Welt bereisenden Besserwisser Alexander von Humboldt. Die Filmfrage, ob Wissenschaft im Kopf des Forschers oder unter seinen Füßen und seiner Lupe getrieben wird, wächst sich in der lakonisch erzählten und gespielten Begegnung der beiden allmählich aus der Mode kommenden greisen Genies zu einem Komödiensound aus, der mindestens so sehr nach Bucks trockenem Humor wie nach Kehlmanns geschmeidiger Ironie klingt. Gunda Bartels

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