zum Hauptinhalt
Die Vermessung Berlins.

© DAVIDS

Berlin: Humboldt durch die schwarze Brille Detlev Buck hat Daniel Kehlmanns „Vermessung der Welt“ verfilmt

Die in 3D gedrehte Produktion feiert Premiere am Potsdamer Platz.

Da hat der Buck den Kehlmann aber ganz schön geschönt. „Gefällt Ihnen Berlin?“, fragt Alexander von Humboldt seinen Wissenschaftler-Kollegen, den er als Gast beim Naturforscherkongress im Jahr 1828 begrüßt. Nein, grantelt Gauß, der zuerst seine Geburtsstadt Braunschweig und dann seine Universitätsstadt Göttingen nur im Notfall verlassen hat, „schreckliche Stadt“. Und wie steht es im Eingangskapitel von Daniel Kehlmanns Bestseller „Die Vermessung der Welt“, dessen Verfilmung von Detlev Buck am Dienstagabend im Sony Center am Potsdamer Platz Premiere feierte? „Widerliche Stadt“ zischt der geniale Mathematiker da seinem Sohn Eugen beim Anblick „der ausufernden Siedlung an Europas sumpfigster Stelle“ zu. Zu sehen ist von den paar Berliner Drehtagen der am 25. Oktober im Kino startenden Romanverfilmung außer ein paar Hausfassaden eh nicht viel. Dafür jede Menge in Görlitz in der Oberlausitz eingefangenes, deftiges deutsches Kleinstadtflair des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts und wild wuchernder in Ecuador gefilmter südamerikanischer Urwald.

Dieser von exotischen Kreaturen bevölkerte Dschungel kommt in 3D sattgrün und saftig rüber. Seine Entscheidung, den 2005 erschienenen, allein in Deutschland weit mehr als zwei Millionen Mal verkauften Roman, dreidimensional zu verfilmen, hat Detlev Buck sich nach James Camerons 3D-Film „Avatar“ und einem Gespräch mit ihm in Berlin in den Kopf gesetzt, erzählt er vor der Premiere: „Ich wollte die Zeitreise, die das Buch erzählt, haptischer und die Welt physischer haben.“ Beim Enten rupfen etwa, das der schleswig-holsteinische Bauernsohn Buck aus eigener Anschauung kennt, will er die Federn dreidimensional tanzen sehen. „3D ist intensiver, außerdem ist der Fortschritt nicht aufzuhalten: irgendwann werden wir im Kino beim Hologramm landen.“ Mal sehen, ob die dann auch Bucks am Ku’damm sitzende Produktionsfirma Boje Buck mitproduziert. Seinen Film jedenfalls sortiert er ins Unterhaltungskino ein: „Das ist kein Arthaus, das müsste man anders drehen – und ich weiß, wie Arthaus geht.“

Im Film wie im Buch wird aus den wirklichen Leben des aus armen Verhältnissen stammenden Mathematikers und Astronomen Carl Friedrich Gauß (1777–1855) und des preußischen Barons, Naturforschers und Geografen Alexander von Humboldt (1769–1859) eine miteinander verzahnte fiktive Doppelbiografie. Der in Berlin und Wien lebende Daniel Kehlmann selbst hat mit Buck gemeinsam das Drehbuch geschrieben und die Erzählerstimme des Films eingelesen. Er habe sich gefreut, seine Geschichte noch mal szenisch weiterentwickeln zu dürfen, sagt er und sieht auch so aus.

Zur Premiere am Potsdamer Platz war neben Buck und Kehlmann so ziemlich die ganze Filmcrew erschienen. Etwa David Kross, Gauß’ schroff herumkommandierter Sohn Eugen, Karl Markovics, sein Lehrer und Förderer und Katharina Thalbach, die treusorgende Mama des nicht sonderlich alltagstauglichen Genies.

Schön zu sehen, dass Buck für die erste Historienkomödie seines an Komödien – zuletzt „Rubbeldiekatz“ – reichen Filmschaffens zwei Hauptdarsteller mit wenig abgenutzten Gesichtern besetzt hat: Florian David Fitz, der im vergangenen Jahr für „Vincent will Meer“ den Deutschen Filmpreis bekam, spielt den selbstbewussten, ob seines einsamen Genies in Misanthropie verfallenden Stubenhocker Gauß. Und Albrecht Abraham Schuch, der in Berlin sonst am Maxim-Gorki-Theater zu sehen ist, den ebenso egozentrischen, aber neugierig die Welt bereisenden Alexander von Humboldt. Die Filmfrage, ob Wissenschaft im Kopf des Forschers oder unter seinen Füßen und seiner Lupe getrieben wird, wächst sich in der lakonisch erzählten und gespielten Begegnung der beiden greisen Genies zu einem Komödiensound aus, der mindestens so sehr nach Bucks trockenem Humor wie nach Kehlmanns geschmeidiger Ironie klingt. Gunda Bartels

Zur Startseite