zum Hauptinhalt
Vorbildlich. Dieser Hund, der im März vor dem Kanzleramt für ein freies Tibet demonstriert, lebt selbst, wie der Karabiner am Rücken beweist, in sozialverträglicher Gefangenschaft.

© dpa

Hunde in Berlin: Wider die tierische Korrektheit!

Freilaufzeiten für Vierbeiner in Berliner Parks? Geht’s noch? Was in der letzten Woche an dieser Stelle gefordert wurde, ermutigt die Rücksichtslosen und zeugt von einem Missverständnis: dass Tiere die Lebensverhältnisse in der Stadt diktieren.

Letzten Samstag bekannte Sebastian Leber im Tagesspiegel, dass er seinen Hund schon oft abgeleint hat und plädierte für Freilaufzeiten in öffentlichen Parks. Um genau hier mal ebenso pointiert zu reagieren: Geht’s noch? Soll die Diskussion nun tatsächlich noch mal in diese Richtung gehen?

Der Kollege ist ja leider nicht der einzige Zeitgenosse, der seinen kleinen Liebling gaaanz harmlos findet. Der typische Hundebesitzer-Spruch „Der tut nichts“ ist längst zum Synonym für euphemistische Augenwischerei gereift. Natürlich ist nicht jeder Hund gefährlich. Aber es kann nicht sinnvoll sein, die Einschätzung, in welchem Ausmaß das Tier danach lechzt oder auch nicht, seine Zähne in Jogger-Waden zu versenken, allein dem Halter zu überlassen. Schön wäre es, wenn sich alle Geschöpfe auf der Welt friedlich und auf Augenhöhe begegnen könnten. Nicht mehr so schön ist es allerdings, wenn die Augenhöhe darin besteht, dass ein fast ponyhoher, nervöser Windhund irgendwo auf der weiten Wiese mit einem zappeligen Dreijährigen konfrontiert wird. Da stimmt dann das Kräfteverhältnis einfach nicht. Weiß man, ob er nicht ausrastet, um mal zu testen, wer der Stärkere ist?

Auch in den liebsten Tut-nichts-Hunden kann sich der Jagdinstinkt regen, wenn sie Menschen laufen sehen – was in Berliner Parks im Frühjahr des Öfteren vorkommt. Sie wissen ja nicht, dass die das nur zum Vergnügen tun. Hundebesitzern, die das in Bezug auf ihren Hund nun für paranoid halten, sei gesagt: Zu oft hat sich gezeigt, dass Hundehalter das Verhalten ihres persönlichen Vierbeiners nicht richtig einschätzen und voraussehen können. Parks zu bestimmten Zeiten zu Sperrzonen für Bürger zu machen, deren Hundeliebe sich in Grenzen hält, kann da keine Lösung sein. Auch Menschen brauchen Auslauf, besonders Büromenschen. Die sind zeitlich zu immer mehr Flexibilität verpflichtet und schon deshalb nicht in der Lage, auf arbeitnehmerfreundliche Randzeiten zu verzichten. Ausgerechnet da sollen die Vierbeiner Vorrang haben? Das gäbe wohl erst recht schlechtes Karma im Verhältnis von Stadtmenschen und Stadthunden.

Großer Hund? Ab aufs Land!

Vorbildlich. Dieser Hund, der im März vor dem Kanzleramt für ein freies Tibet demonstriert, lebt selbst, wie der Karabiner am Rücken beweist, in sozialverträglicher Gefangenschaft.
Vorbildlich. Dieser Hund, der im März vor dem Kanzleramt für ein freies Tibet demonstriert, lebt selbst, wie der Karabiner am Rücken beweist, in sozialverträglicher Gefangenschaft.

© dpa

Hinzu kommt noch ein weiteres Problem: Wenn die Hunde laufen, wohin sie wollen, haben ihre Besitzer immer eine schöne Ausrede parat, warum sie den Dreck nicht wegmachen konnten. Für die rücksichtsvollen Hundebesitzer, die sich in andere hineinversetzen können und mit ihren Haustieren die Hundeschule absolvieren, sind strenge Gesetze vielleicht nicht unbedingt nötig. Aber die vielen anderen, die es eben auch gibt in einer Großstadt, die zugedröhnt und verantwortungslos sind, für die der Hund nichts als ein Symbol persönlicher Macht ist – die müssen vor sich selbst geschützt werden, dann müssen ihre Hunde vor ihnen geschützt werden und schließlich der Rest der Menschheit, sofern er in Berliner Parks unterwegs ist. Leider sind Hunde eben auch attraktiv für Menschen, die bestimmt nicht auf die Uhr schauen würden, um irgendwelche Freilaufzeiten einzuhalten. Es gilt, sie nicht noch zusätzlich zu ermutigen – durch Regelungen, die suggerieren, dass Hunde in allen Belangen den gleichen Rang in der Enge der Stadt haben wie Menschen.

Wer seinen großen Hund wirklich liebt, sollte aufs Land ziehen oder sich täglich Zeit nehmen für den Trip in ein Auslaufgebiet am Rande der Stadt. Oder sich engagieren für den Betrieb von umzäunten, zentraler gelegenen Hundegärten. Es wäre sowieso schön, wenn jeder, der sich einen Hund zulegt, vorher genau prüft, ob er diesem angemessene Lebensverhältnisse bieten kann.

In der Stadt sollten die Regelungen derweil durchaus noch strenger werden. Der Hundeführerschein ist da definitiv ein Schritt in die richtige Richtung. Leider musste eine Menge passieren, bis es endlich dazu kam. Politiker, die nicht einfach populistisch der in Berlin breit vertretenen Hunde-Lobby nach dem Munde reden und handeln, können nicht hoch genug gelobt werden für ihren Mut. Ein Haustier kann nicht in freier Wildbahn leben. Sie künstlich zu kreieren, wäre zu viel der tierischen Korrektheit. In der Welt der Häuser ist es an den Hunden und ihren Besitzern, zivilisatorische Kompromisse zu machen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false