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Berlin: Hungerstreik: Die Kleider werden immer weiter

Am Brandenburger Tor, inmitten von Würstchen essenden Touristengruppen, hungern immer noch drei Handwerksfrauen aus Thüringen. Sie sind der harte Kern von rund einem Dutzend Handwerkersfrauen und Kleinunternehmerinnen, die am 5.

Am Brandenburger Tor, inmitten von Würstchen essenden Touristengruppen, hungern immer noch drei Handwerksfrauen aus Thüringen. Sie sind der harte Kern von rund einem Dutzend Handwerkersfrauen und Kleinunternehmerinnen, die am 5. Juni in den Hungerstreik getreten sind. Sie campieren mit Decken und Schlafsäcken unter freiem Himmel und nehmen nur Tee und Mineralstoffe zu sich. Die Frauen sehen die Aktion als letztes Mittel, um Politiker und Öffentlichkeit auf ihre finanzielle Misere aufmerksam zu machen.

Die Betriebe ihrer Männer sind Pleite, weil sie von großen Unternehmen für ausgeführte Arbeiten nicht bezahlt wurden. Eines dieser Unternehmen steht unter dem Verdacht, betrügerischen Konkurs begangen zu haben. Nach den Erfahrungen der Handwerksfrauen ist es möglich, dass Geschäftsführer großer Unternehmen, die in Thüringen Konkurs anmelden, die Firma unter anderem Name in Berlin weiterführen - um sich so ihrer Zahlungspflichten zu entziehen. Mit dem Hungerstreik fordern die Frauen die gesetzliche und finanzielle Absicherung von klein- und mittelständischen Betrieben gegen "zahlungsunwillige Unternehmen". Die Handwerkerinnen fühlen sich vom Gesetzgeber im Stich gelassen und fordern eine Anhörung bei den verantwortlichen Politikern. "Wir suchen einen Abgeordneten, der endlich den Mut hat, sich für uns einzusetzen", sagt Monika Schönemann.

Bis jetzt erfahren sie Unterstützung nur von der PDS, die es unter anderem veranlasste, dass die Frauen einmal am Tag von DRK-Mitarbeitern untersucht werden. Das scheint angebracht: Die Frauen fühlen sich von Tag zu Tag "schlapper", merken, wie die Konzentration nachlässt und die Kleider immer weiter werden. Der Weg zur 500 Meter entfernten City-Toilette, die sie auch als Waschraum benutzen, fällt zunehmend schwerer.

"Wir können nicht mehr lange stehen, müssen immer mehr liegen", sagt Margarete Lienke. Auf dem Gesicht der 45-Jährigen pellt sich die Haut - verbrannt von den vielen Tagen in der Sonne. Unterm Tor dürfen die Frauen nur bei Regen Schutz suchen. Wie gut, dass es da noch die zwei Schwestern aus Rudow gibt, die, nachdem sie die Thüringerinnen zufällig entdeckt haben, sie Tag und Nacht mit Lebensnotwendigem versorgen. Nach und nach schafften sie Matratzen, Schlafsäcke, Schirme und Planen heran. Jeden Morgen kommen sie auf ihren Rädern und bringen den Frauen heißes Wasser für Tee. "Unsere Berliner Engel" nennen die Thüringer Frauen die beiden Rentnerinnen, die ihnen auch seelischen Beistand leisten.

Maria Neuendorff

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