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Berlin: Hutparty: Pompöös behütet

Ohne Hut bekommt sie in der Sonne fast sofort Kopfschmerzen. Das weiß sie seit ihrem 15.

Ohne Hut bekommt sie in der Sonne fast sofort Kopfschmerzen. Das weiß sie seit ihrem 15. Lebensjahr. Seitdem sind Hüte ihr Markenzeichen. Ihre allsommerliche Hutparty ist inzwischen auch ein Markenzeichen. In diesem Jahr ist es die "20.", zu der Ulla und Karsten Klingbeil am 25. Mai einladen - nicht wie bisher privat in ihr Haus am Kleinen Wannsee, sondern öffentlich ins Wirtshaus Moorlake. Wer mitfeiern möchte - die Damen bitte nur mit Hut ab 15 Uhr, die Herren bitte im gepflegten Outfit ab 18 Uhr - muss vorher blechen.

"Von den 200 Mark sind 100 für die taubblinden Kinder im Oberlinhaus in Potsdam und 100 für Essen, Trinken und Programm", sagt die Sozial-Schnorrerin mit Bundesverdienstkreuz, "und dafür wird auch was geboten." Sprichts und schwärmt dann von dem Landauer, mit dem man am 25. Mai am Havelufer entlang fahren kann, von der Pompöös-Modenschau mit dem schrillen Harald Glööckler, den insgesamt 30 000 Mark teuren duftenden Begrüßungsgeschenken von Thierry Mugler, die der Star-Visagist René Koch als Damenspende überreicht und dem lebenden Gemälde, das Künstler des Friedrichstadtpalastes in Moorlake darstellen wollen.

Womit sie in Moorlake auffallen will, weiß Ulla Klingbeil seit kurzem. Dass sie mit Hüten gut aussieht, weiß sie längst. Hemmungen hat sie sowieso nicht. Dafür Spaß an Kopfbedeckungen, mit denen sich kein anderer Mensch je auf die Straße getrauen würde. Manche ihrer Hüte sind nur ein zarter Hauch von Federn oder Schleiern, andere präsentieren ganze Obst- und Blumengärten oder sind verwegen gebogen. Nur unauffällig ist keiner.

Ihren schönsten Hut kaufte sie sich mit Achtzehn. Das wagenradgroße wolkenverhangene Gebilde aus einem Geschäft auf der Tauentzienstraße war damals für die Sekretärin im ersten Arbeitsjahr eigentlich viel zu teuer, "aber als ich hörte, dass den auch Elke Sommer hat, musste ich ihn haben."

Heute füllen ihre Hutschachteln - für sich allein schon oft ein Kunstwerk - ein ganzes Zimmer. Etwa 150 Modellhüte in allen Farben des Regenbogens hat Ulla Klingbeil - an diesem sonnenheißen Mittag trägt sie ein strohfarbenes Modell mit gedrehter Schleife. "Nichts Besonderes", sagt die Hutdame. Besonderes kann sie sich aber noch immer leisten, obwohl sich jüngst ein Boulevardblatt mit ihrer Finanzlage beschäftigte. "Haben Sie kein Geld mehr?" wurde die Millionärsgattin gefragt.

Hintergrund der indiskreten Frage war die bevorstehende Jubiläums-Hutparty - erstmals "außer Haus", erstmals gegen Vorausbezahlung und erstmals damit für alle. "Da können viel mehr kommen, und es kommt finanziell mehr rein", erklärt die praktische Profi-Wohltäterin. Und - was sie nicht sagt - bei ihr daheim kommt nichts mehr weg.

Zur Hutparty 2000 hatte sie über 300 Gäste. Wie sich erwies, nicht alles feine Leute. Einige suchten sich ihre Giveaways selbst aus und bedienten sich in der Gästetoilette an Parfumflakons. Und längst auch nicht alle fütterten das am Eingang aufgestellte Sparschwein für den guten Zweck mit einem Eintrittsobolus so, wie man es nach den teueren Hutmodellen annehmen müsste. Und da auch die größte Villa irgendwann zu klein ist, kam eben die Idee der Hutparty im Wirtshaus Moorlake zustande.

Angefangen hat es einmal ganz harmlos. Etwa 30 behütete Damen der West-Berliner Gesellschaft trafen sich im August 1981 erstmals auf der Klingbeilschen Terrasse zum Kaffeeklatsch, zu dem sich abends die Männer gesellen durften. Dieses Ritual wurde bis heute beibehalten - wohltätig sind die Hutparty-Gäste erst seit 1991. Um die ewigen Blumenberge und sinnigen und unsinnigen Mitbringsel abzuwenden, bat die Gastgeberin stattdessen um eine Spende für ihre sozialen Projekte. Hutpartys halfen von da an nicht nur dem Berliner Putzmacherhandwerk zu überleben, sondern Bäder und Fitnessräume für Kinderheime zu finanzieren, auch Spielzimmer und Spielplätze für die Charité und Krankenhäuser in Weißensee, Friedrichshain und Buch.

Im ehemaligen West-Berlin war die Hutparty am Kleinen Wannsee ein rein gesellschaftlicher Termin, bei dem sich Politik, Wirtschaft, Kultur und die alliierte Besatzungsmacht der Inselstadt gerne tummelte. Ein Mal so laut, dass Nachbarn die Polizei in der Klingbeil-Villa anrücken ließen. "Ihr Polizeipräsident Klaus Hübner ist auch unter unseren Gästen", versuchten die Gastgeber abzuwimmeln. Was ihnen die braven Ordnungshüter fast als Irreführung der Staatsmacht auslegten, "den haben wir eben auf einer anderen Party gesehen". Hatten sie auch, nur nicht, dass Hübner mit riesiger Schutz-Eskorte inzwischen das Lokal gewechselt hatte. Hutparty-Vergangenheit - wie West-Berlin.

Heidemarie Mazuhn

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