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Ich bin ein BERLINER (50): "Maggi-Würfel im Schulranzen"

Klaus Falk, 78, Rentner aus Britz, war bei Kriegsende zehn Jahre alt. Schon immer ist er Mitglied einer Kirchengemeinde, in der DDR wurden diese streng überwacht. Die Schikanen hat er selbst miterlebt.

Ich bin in Berlin geboren, meine Vorfahren kommen aus Schweden, meine Mutter ist Polin – Berlin war also schon immer multikulti. Als ich zehn Jahre alt war, da war der Krieg gerade zu Ende, war die Stadt von den Rotarmisten besetzt. Eines Tages hielt plötzlich ein russischer LKW vor mir auf der Straße, ich war gerade auf dem Weg zur Schule. Ein Mann stieg aus, griff sich meine Schultasche und schaute, was da so alles drin ist. Viel war das nicht: Papier, Stifte ... dann leerte er die Tasche aus und verschwand mit meiner Tasche. Kurze Zeit später war er wieder da, meine Schultasche hatte er von unten bis oben mit Maggi-Würfeln gefüllt, wahrscheinlich dachte er, das seien Bonbons und wollte mir eine Freude machen.

Dann kam die Mauer. In Berlin war die ja sehr zu spüren, in Deutschland war sie hingegen nicht so präsent. Meine Frau und ich hatten eine Ferienwohnung in Bayern, das war unser zweiter Wohnsitz, und dadurch hatten wir auch einen westdeutschen Reisepass. In Bayern wurden wir oft gefragt: ’Kommen Sie aus West- oder Ost-Berlin?’ Die wussten oft gar nicht, dass man als Ost-Berliner gar nicht in den Westen reisen durfte.

Ich bin Mitglied der Kirchengemeinde in Neu-Buckow, und wir hatten eine Partnerschaft mit der Kirchengemeinde Elias in Prenzlauer Berg. Wegen meines westdeutschen Reisepasses konnte ich einfach die Grenze passieren. Berliner mussten ja immer diese Laufzettel ausfüllen, da musste man angeben, wie viel Geld man dabei hatte. Das brauchten die Bürger der Bundesrepublik nicht, die fuhren zur Friedrichstraße und bekamen ihr Tagesvisum. Das war’s.

Die Stasi war überall, die christlichen Gemeinden in der DDR wurden streng überwacht. Bis zum Schluss war ich häufig bei den Kundgebungen dabei, dort habe ich die Schikanen miterlebt ... wenn man durch ein Spalier von drei Ketten von Polizisten durchgehen und überall seinen Ausweis vorzeigen musste.

Vor 50 Jahren - am 26. Juni 1963 - hielt John F. Kennedy seine berühmte Berliner Rede. Hier erzählen 100 Berliner, was ihnen diese Worte bedeuten - und wie sie die Stadt heute erleben. Siemens unterstützt das Tagesspiegel-Projekt. Alle bisher erschienen Videos zu der Serie "Ich bin ein Berliner" finden Sie unter:www.tagesspiegel.de/berliner

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