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Ich bin ein BERLINER (71): „Als Polizist im Rotlichtrevier“

Wolfgang Pickert, 83, hat den Kalten Krieg als Streifenbegleiter bei der US-Militärpolizei und später als Grenzpolizist hautnah miterlebt. In unserer Serie "Ich bin ein Berliner" erinnert sich der Steglitzer an brenzlige Situationen am Checkpoint Charlie und Glücksmomente nach dem Mauerfall.

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Wenn es einen richtigen Berliner gibt, bin ich das (lacht). Mein Großvater hieß Schulz, das ist ein Urberliner Name, ich wurde in Berlin geboren und habe nie woanders gelebt. Als junger Mann habe ich als Polizist gearbeitet, angefangen habe ich im Rotlichtrevier, in der Bülowstraße, dort, wo sich all die Nachtschattengewächse rumtreiben. Ich hatte keine Schule besucht, ich wurde da einfach so reingeschmissen. Aber ich habe viel gelernt. Weil ich Englisch konnte, bin ich dann zur amerikanischen Militärpolizei gekommen, ich sollte Vorfälle zwischen Deutschen und US-Angehörigen regeln.

Am 13. August 1961 waren die amerikanischen Kollegen und ich mit die Ersten am Checkpoint. Es herrschte Alarmzustand. Ich habe miterlebt, wie die berühmte weiße Strichlinie auf den Boden gemalt worden ist. Die Stimmung war sehr angespannt. Plötzlich ist ein amerikanischer Panzer anderthalb Meter über diese weiße Linie gefahren und musste zurücksetzen. Da dachten wir alle: Okay, das war’s jetzt!

Dann wurde ich krank, Hüftarthrose, und deswegen zwangspensioniert. Ich überlegte, was ich nun machen könnte, und entschied mich, Reisen zu organisieren. 25 Jahre lang arbeitete ich als Reiseveranstalter, ich war überall, außer im Ostblock natürlich.

‚Oh, Sie sind aus Berlin‘, diesen Satz habe ich immer wieder gehört. Einmal war ich in den USA an der Westküste unterwegs, wir hatten ein Campingmobil gemietet, hinten hatte ich draufgeschrieben: We are Berliners. Daneben ein Bär und die Berliner Flagge. Auf den Highways wurden wir ständig angehupt.

Als die Mauer fiel, war ich gerade in Südafrika. Mit einer Gruppe von 40 Berlinern war ich gerade in Johannesburg gelandet, als wir abends ins Hotel kamen, klingelte das Telefon: ‚Schalt sofort den Fernseher ein!‘, rief ein Freund. ‚Die Mauer ist gefallen.‘ Ich sagte: ‚Du spinnst!‘ In der Hotelbar feierten wir bis tief in die Nacht.

Zurück in Deutschland habe ich mich in mein Auto gesetzt und bin über die Glienicker Brücke gefahren. Jahrelang hatte ich dort gestanden, kontrolliert und die Schranken bedient. Ich habe ganz laut gebrüllt, das war sagenhaft!“

Wolfgang Pickert, 83, hat den Kalten Krieg als Streifenbegleiter bei der US-Militärpolizei und später als Grenzpolizist hautnah miterlebt.
Wolfgang Pickert, 83, hat den Kalten Krieg als Streifenbegleiter bei der US-Militärpolizei und später als Grenzpolizist hautnah miterlebt.

© promo

Vor 50 Jahren - am 26. Juni 1963 - hielt John F. Kennedy seine berühmte Berliner Rede. Hier erzählen 100 Berliner, was ihnen diese Worte bedeuten - und wie sie die Stadt heute erleben. Siemens unterstützt das Tagesspiegel-Projekt. Alle bisher erschienen Videos zu der Serie "Ich bin ein Berliner" finden Sie unter: www.tagesspiegel.de/berliner

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