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Berlin: „Ich bin gegen eine Aufnahmeprüfung“

Was tun gegen leistungsschwache Gymnasiasten? Senator Böger (SPD) hält am Probehalbjahr fest

Die Lage vieler Innenstadt-Gymnasien spitzt sich zu. Der Anteil an leistungsschwachen Schülern mit schlechten Deutschkenntnissen steigt. Stimmen werden lauter, die eine Regulierung beim Schülerzugang fordern. Susanne Vieth-Entus sprach darüber mit Bildungssenator Klaus Böger (SPD).

Viele Gymnasien fühlen sich im Stich gelassen: Sie sollen ihre Qualität verbessern, müssen aber viele ungeeignete Schüler aufnehmen. Wie passt das zusammen?

Von „im Stich gelassen“ kann keine Rede sein. Ich will den Gymnasien gerne helfen. Aber das Elternwahlrecht werde ich nicht einschränken. Ich setze darauf, dass sich die Eltern an die Bildungsgang-Empfehlung der Grundschulen halten. Und ich setze darauf, dass die Grundschulen ihre Noten klar fassen. Ich akzeptiere nicht, dass jemand in Deutsch ein „Gut“ oder „Befriedigend“ hat und dabei kaum drei Sätze hintereinander fehlerfrei reden kann. Das darf nicht sein. Wir werden solide Qualitätskriterien festlegen. Dazu können auch die geplanten Vergleichsarbeiten beitragen.

Bis diese Reformen greifen, schlägt der Philologenverband vor, immer dann einen Aufnahmetest anzuordnen, wenn die Eltern die Empfehlung der Grundschule ignorieren.

Gegenwärtig will ich keine Änderung, weil das Verfahren mit dem neuen Grundschulgutachten erstmal greifen soll. Jetzt geht es zunächst darum, Eltern klarzumachen, dass das Nichtbestehen des Probehalbjahres eine große Belastung für das Kind sein kann.

Die Schulen sprechen schon in diesem Sinne mit den Eltern – oft ohne Erfolg. Insbesondere türkische Eltern beharren auf dem Gymnasialwunsch, weil sie sich davon eine bessere Förderung erhoffen. Die Schulen würden in solchen Fällen gern einen Sprachtest vorschalten.

In der 7. Klasse mache ich keinen Sprachtest mehr. Wir werden aber prüfen, ob wir die Anforderungen für das Bestehen des Probehalbjahres erhöhen müssen.

Wenn viele Schüler das Probehalbjahr nicht bestehen, müssen Klassen zusammengelegt werden. Das ist der langsame Tod ausgerechnet der Gymnasien, die jetzt noch einen Teil der Migranten zum Abitur führen.

Nein. Schulen, die gute Migrationsarbeit leisten, werden wir nicht schließen. Im Gegenteil. Wir werden sie belohnen und ihnen bei der Personalausstattung helfen, auch wenn Klassen im Einzelfall etwas kleiner werden.

Wäre nicht allen gedient, wenn Schüler mit schlechten Sprachkenntnissen gleichmäßiger auf Gymnasien des Bezirks verteilt würden?

Solche internen Verteilmechanismen sind vernünftig, wenn man das Begabungspotential besser nutzen und die Kinder besser fördern will. Darüber bin ich mit den Bezirken im Gespräch. Aber da es nicht ohne Einwilligung der Eltern geht, müssen wir Überzeugungsarbeit leisten. Da ist der Türkische Elternverein ebenso gefragt wie die Schulaufsicht und die Schulämter in den Bezirken. Denn man tut den Kindern keinen Gefallen, wenn man die Ballung von Schülern mit schlechten Sprachkenntnissen zulässt.

Dafür wäre der Sprachtest der richtige Weg.

Ich kann nicht nach der sechsjährigen Grundschule einen Sprachtest ansetzen. Zu dem Zeitpunkt muss der Spracherwerb abgeschlossen sein. Ich kann aber darüber nachdenken, was ich mache, wenn ein Schüler mit Deutsch 5 und Hauptschulempfehlung auf ein Gymnasium will. Da muss es eine Güterabwägung geben zwischen dem Recht der Eltern und dem Wohl des Kindes. Wenn ich Noten habe, die der Aufnahme an einem Gymnasium widersprechen, muss ich etwas tun.

Also doch einen Aufnahmetest?

Man könnte ein verbindliches Aufnahmegespräch in solchen Fällen anordnen. Dazu wäre allerdings eine Gesetzesänderung nötig, damit die Entscheidung nach einem solchen Gespräch vor den Gerichten Bestand hat. Das ist alles sehr schwierig.

Bleibt also doch nur der objektivere und damit gerichtsfeste Aufnahmetest?

Ich bin gegen eine punktuelle Aufnahmeprüfung. Das Probehalbjahr ist der bessere Weg.

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