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Berlin: „Ich erwarte, dass Migranten Deutsch sprechen“

Innensenator Körting fordert von Zuwanderern ihren Beitrag zur Integration Frühere Schulpflicht für Kinder, keine Einreise von minderjährigen Ehepartnern

Herr Körting, Frankreich hat gerade die 17. Krawallnacht hinter sich. In Brüssel haben Autos gebrannt. Sind solche Unruhen in Berlin auch möglich?

Wir haben hier einzelne Nachahmungstäter. Was wir in Berlin erleben, ist reine Trittbrettfahrerei. Es ist verkehrt, wenn man eine Situation herbeiredet, die in Berlin nicht gegeben ist. Sie können Paris und Berlin nicht vergleichen. Hier werden jugendliche Migranten nicht ausgegrenzt und an den Stadtrand gedrängt. Bei uns leben die Ausländer mitten unter uns: Sie sind räumlich integriert, die Quartiere sind offen zugänglich.

Aber es gibt doch auch in Berlin Straßenzüge, in denen keine Deutschen mehr wohnen. Was halten Sie vom Vorschlag des CDU-Politikers Kurt Wansner, zur sozialen Durchmischung Deutschen einen Mietzuschuss zu zahlen, wenn sie nach Kreuzberg ziehen, und Migranten, die aus Kreuzberg wegziehen, die Umzugskosten zu erstatten?

Soziale Durchmischung ist nicht künstlich herstellbar. Auch heute zieht eine Mittelschicht von Migranten bereits aus bestimmten Quartieren weg. Es gibt zwar Straßen, in denen bestimmte Ethnien vorherrschen. Damit habe ich keine Probleme, weil eine solche Umgebung gerade für neue Migranten ein Bindeglied zur Gesellschaft darstellen kann.

Dadurch entwickeln sich aber Parallelgesellschaften, die eine Integration wieder erschweren.

Ich erwarte mir dort, wo überwiegend Migranten wohnen, dass diese auch Deutsch sprechen, und die Kinder auf deutsche Schulen gehen. Wer sich nicht aufs berufliche Abstellgleis begeben will, muss Deutsch können. Diese Notwendigkeit wird nicht von allen Migranten erkannt.

Unterstützen Sie Forderungen nach einer verpflichtenden Sprachförderung für Kinder ab drei Jahre?

Ich schließe eine rechtliche Regelung nicht aus, mit der eine Sprachförderung verbindlich wird. Keine Ganztagsbetreuung, aber genauso wie Berlin die Schulpflicht auf fünfeinhalb Jahre vorgezogen hat, könnte die Schulpflicht auch erweitert werden und eine Teilausbildung der Kinder oder vorschulische Erziehung schon vor dem fünften Lebensjahr erfolgen. Ob das pädagogisch sinnvoll ist, muss von Schulpolitikern beurteilt werden. Erst dann ist eine verfassungsrechtliche Prüfung nötig.

Nach Eheschließungen im Ausland reisen viele so genannte Importbräute und Ehemänner nach Deutschland ein, die hier weder Sprachkurse besuchen noch sich integrieren lassen wollen. Denken Sie in diesen Fällen über Zuzugssperren nach?

Mit dem Zuwanderungsgesetz gibt es die Verpflichtung zu Sprachkursen. Das muss man konsequent umsetzen. Wenn nachgezogene Ehepartner der Verpflichtung nicht nachkommen, muss man sie gegebenenfalls wieder zurückschicken. Mich beunruhigt aber viel mehr: Wir haben eine Kinderschutzkonvention der Vereinten Nationen. Da steht drin, dass man den Kindern ihre Kindheit nicht wegnehmen darf wie zum Beispiel bei Ehen unter 18 Jahren. Nachzüge bei arrangierten Ehen von 14- bis 16-Jährigen, wie wir sie früher hatten, sind mit unserer Werteordnung nicht vereinbar. Ich würde auch Nachzüge ausschließen von Ehepartnern unter 18 Jahren. Eine Ehe unter 16 Jahren ist nach unserem mitteleuropäischen Verständnis keine Ehe unter selbstbestimmten Menschen. Ist die Heirat einer 14-Jährigen, die diese Ehe gar nicht will, nicht wie Zwangsprostitution mit einem Kind?

Wie wollen Sie diese Nachzüge verbieten?

Es gäbe gesetzliche Möglichkeiten über die Verschärfung des internationalen Privatrechts, dass wir derartige Eheschließungen im Ausland nicht ohne weiteres anerkennen. Außerdem könnten wir ausländerrechtliche Konsequenzen ziehen: Bei einer Eheschließung unter 18 Jahren könnten wir den Nachzug erschweren. Ich denke dabei an Folgendes: Der Anreiz zu Eheschließungen unter 18 Jahren wird natürlich gemindert, wenn es keinen ausländerrechtlichen Familiennachzug gibt. Je älter die betroffenen Frauen sind, umso mehr erhoffe ich mir, dass sie selbstbestimmt darüber entscheiden können, ob sie heiraten wollen.

Können Sie in Berlin das Ausländerrecht dahingehend ändern?

Nein, das geht nur im Rahmen des Aufenthaltsgesetzes. CDU und SPD haben sich in den Koalitionsgesprächen darauf verständigt, ausländerrechtliche Instrumente zu ergreifen, um arrangierte Ehen und Zwangsverheiratungen zu verhindern. Das wird umgesetzt. Und die Strafbarkeit der Zwangsehen wird auch aufgrund der Berliner Bundesratsinitiative bald als gesonderter Tatbestand im Strafgesetzbuch stehen.

Das Gespräch führte Sabine Beikler

Ehrhart Körting (63) ist Innensenator in Berlin. Er war von 1992 bis 1997 Vizepräsident des Berliner Landesverfassungsgerichts und von Ende 1997 bis Ende 1999 Justizsenator.

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