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Berlin: „Ich habe aus persönlichen Gründen nicht kandidiert“

CDU-Politiker Klaus Töpfer erzählt, warum er nicht Bürgermeister Berlins werden wollte und weshalb Deutschland erneuerbare Energien braucht

Herr Töpfer, in der Hauptstadtdebatte hatten Sie sich für Berlin ausgesprochen. Nachdem der Beschluss zugunsten der Stadt gefallen war, organisierten Sie als Bauminister den Umzug der Bundesbehörden. Nun ziehen Sie selbst nach Berlin. Haben Sie schon eine Wohnung?

Nein, aber der Entschluss ist gefallen. Ich bin und bleibe begeistert von Berlin und in Berlin. Außerdem habe ich drei Kinder, die unsere Entscheidung vorangetrieben haben. Die sagten meiner Frau und mir: „Ihr seid dann ja wohl hoffentlich nicht immer in unserer Berliner Wohnung …“ Meine Kinder mussten mich nicht überreden, nach Berlin zu ziehen. Ich bin einer der vielen Menschen, die zu der guten Entscheidung kommen, hier zu wohnen.

Die Stimmen, die einen Umzug der verbleibenden Bundesbehörden von Bonn nach Berlin fordern, mehren sich. Ist es nicht an der Zeit, alle Ministerien vollständig in die Stadt zu holen?

Ich habe einen doppelten Beschluss des Bundestages verlässlich umgesetzt, der eine Kompensation für Bonn und einen Umzug der Bundesregierung und des Bundestages nach Berlin vorsah. In der Folge wurde die Bundeshauptstadt Berlin sehr attraktiv weiterentwickelt. Ich bin beeindruckt und freue mich über die vielen sanierten historischen Bauten …

… die Sie als Minister vor Abriss- und Neubauplänen anderer Politiker gerettet haben …

… nehmen Sie den Bundesrat zum Beispiel im alten Preußischen Herrenhaus oder auch das sogenannte Regierungskrankenhaus, das Sitz des Wirtschaftsministeriums ist. Dann gibt es auch noch die herrliche historische Substanz des Bau- und Verkehrsministeriums. Aber es bleibt dabei, dass der Hauptstadtbeschluss nun einmal zwei Seiten hat. Es wäre deshalb falsch, wenn ich in diese Entscheidung nun hineinwirken würde, zumal ich keine politische Verantwortung mehr trage.

Das hätte anders sein können: Vor einem Jahr waren Sie der Hoffnungsträger der Berliner CDU. Warum haben Sie das Angebot ausgeschlagen, als Spitzenkandidat in den Berliner Wahlkampf zu ziehen?

Ich kam aus vielen vornehmlich auch persönlichen Gründen zu diesem Ergebnis. Es war keine leichte Entscheidung. Es war eine fantastische Perspektive, in einer politischen Funktion für Berlin tätig zu sein. Aber ich hatte die deutsche Politik damals acht Jahre lang aus der Ferne, von Nairobi oder anderen Orten aus nur in Ausschnitten verfolgt.

Außerdem hätte der Wechsel in die Landespolitik nach elf Jahren als Bundesminister und acht Jahren als Spitzenpolitiker bei den Vereinten Nationen für Sie einen Karriereknick bedeutet …

Zunächst: Eine politische Verantwortung in Berlin ist in keiner Weise ein „Karriereknick“. Aber „Karriere“ spielte bei meinen Überlegungen und meiner Entscheidung keine Rolle. Wenn man 69 Jahre alt wird, dann fragt man sich nicht mehr, was man seiner Karriere schuldet. Als ich den Posten bei den UN antrat, titelte ein Magazin: „Töpfer – ab nach Nairobi“. Der Wechsel wurde als Karriereknick angesehen. Nicht für mich, denn es erschien mir sinnvoll von einer nationalen Verantwortung für die Umweltpolitik einer einzelnen Regierung eine ähnliche Funktion in einer globalen Organisation zu bekleiden. In England wäre dieser Wechsel sicher als Karriereschritt gewertet worden. In Deutschland aber offenbar nicht. Doch das war für mich ohnehin nie ein Gesichtspunkt, auch nicht nach meiner Rückkehr nach Deutschland.

Sie packten aber wieder die Koffer und sind nun auch als Professor in China tätig. Was unterscheidet Schanghai von Berlin?

Berlin ist eine unglaublich sympathische, eine sehr persönliche Stadt, sie ist in ihrer Art außerordentlich dynamisch. Das spielt sich aber auf einer ganz anderen Basis und in einer anderen Dimension ab als in Schanghai. Dies gilt übrigens nicht nur für den Vergleich mit chinesischen Städten. Die Bevölkerungszahl Nairobis zum Beispiel wächst mit jährlich fünf Prozent, die Einwohnerzahl verdoppelt sich daher innerhalb von 15 Jahren. Doch dieses Wachstum geht mit einem drastischen Anstieg der Armut einher. Krankheiten wie Aids breiten sich aus, und in der Stadt kommt es häufig zu sozialen Unruhen. In China dagegen wachsen die Städte auf einer breiten ökonomischen Wachstumsgrundlage. Die Dynamik in Berlin ist wiederum eingebunden in die große europäische Tradition des sozialen Ausgleichs, der kulturellen Identität und der wissenschaftlichen Profilierung.

Gehen während Ihres Aufenthaltes in Asien nicht die Bindungen zu Deutschland verloren?

Nein, die Tongji-Universität in Schanghai, eine der Elite-Universitäten Chinas, ist eine deutsche Gründung, das Wort „Tongji“ ist vom altdeutschen „Teutsch“ abgeleitet. Präsident Wan war Forschungschef bei Audi in Ingolstadt und spricht fließend Deutsch. Der Dekan der Architekturfakultät, Siegfried Wu hat in Berlin studiert und besitzt heute noch ein Haus in der Stadt. Seine beiden Töchter sprechen fließend Deutsch, und das Au- pair-Mädchen der Familie kommt aus Kleinmachnow. Die Universität ist außerdem eng eingebunden in die universitären Netzwerke weltweit.

In Europa wird das Wachstum in Asien oft als Gefährdung für den eigenen Wohlstand angesehen.

Das sehe ich nicht so. In China leben 1,4 Milliarden Menschen, das sind 18 Mal so viele wie in Deutschland. Diese Menschen möchten auch ihre Lebensumstände verbessern. Natürlich muss sich dieser große Markt auch aus sich selbst heraus speisen und nicht nur durch Export wachsen. Andererseits machen die Menschen in Deutschland ihre Kaufentscheidung nicht von der Herkunft der Produkte abhängig, sondern kaufen eher mit der Mentalität: „Geiz ist Geil“. Und noch eins: Wachstumsraten von zehn Prozent, wie sie in China oder auch Indien üblich sind, finden auf sehr niedrigem Niveau statt. Deshalb führt ein Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von zehn Prozent in China nur zu einem Einkommenszuwachs von weniger als 100 Euro pro Kopf. Bei uns dagegen beträgt das Zusatzeinkommen schon bei einem Wachstum von nur 1,5 Prozent rund 400 Euro. Diese Relationen werden oft nicht gesehen.

Es geht ihnen also auch um eine gerechtere Verteilung der Güter?

Sicher, es kann nur in unserem eigenen Interesse sein, die dramatischen Wohlstandsunterschiede in der Welt schrittweise anzunähern. Sonst werden wir globale Wanderungsbewegungen haben, die destabilisierend wirken. Diese Migrationsbewegungen von Afrika nach Europa haben ja bereits eingesetzt. In diesem Jahr flüchteten rund 15 000 Menschen vom Schwarzen Kontinent, viele davon stranden auf Schiffen an den Küsten Spaniens und Italiens. Diese Menschen verlassen ihre Heimat nicht, weil es ihnen dort nicht gefällt. Es zieht sie wegen der Hoffnungslosigkeit der Lebensumstände in ihrer Heimat nach Europa. Um diese Entwicklung zu bremsen, sollte man alles dafür tun, dass sich diese Länder entwickeln können. Und das sollte wiederum auf umweltverträgliche Weise geschehen.

Spricht da der Moralist Töpfer?

Wir müssen nicht nur wegen der höheren moralischen und ethischen Verantwortung vorausgehen, obwohl dies ein hinreichender Grund ist. Es geht auch um unsere eigenen ökonomischen Interessen. Die fossilen Rohstoffe werden weltweit knapp. Weil die Schwellenländer so dynamisch wachsen, wird dieser Engpass in Zukunft noch größer. Deshalb wird das Land, das am schnellsten unabhängig von fossilen Energieträgern wird, den Standortwettbewerb der Zukunft gewinnen. Und dieses Land wird auch wirtschaftlich erfolgreich sein, weil die Märkte für erneuerbare Energien überdurchschnittlich schnell wachsen. Die doppelte Präsidentschaft der Bundesrepublik Deutschland in der Europäischen Union und in dem Wirtschaftsverbund G 8 ist eine großartige Chance, das Thema Energieeffizienz aufzugreifen. Die deutsche Wirtschaft ist hier bestens aufgestellt. Es geht dabei also nicht nur um den drohenden Klimawandel, sondern auch um die wirtschaftlichen Technologien der Zukunft und damit um den Wohlstand in Deutschland.

Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

Als 79-Jähriger? Da werde ich hoffentlich in einer schönen Altbauwohnung mit hohen Räumen mitten in Berlin sitzen. Ich werde nach wie vor mit großem Interesse den Tagesspiegel lesen. Und ich werde dann feststellen, dass Berlin auch wirtschaftlich einen großen Sprung nach vorne gemacht hat. Wir werden dann auch die Integration in Europa vorangebracht haben. Vor allem werde ich mich in zehn Jahren aber an meinen Enkelkindern erfreuen. Das erste von ihnen, Helene, kam vor kurzem auf die Welt und ist der Star der Familie. Und in zehn Jahren wird es sicher nicht mehr das einzige sein.

Das Gespräch führte Ralf Schönball.

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