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Berlin: „Ich habe mich ausgetobt“

Früher hat Michaela Schaffrath alias Gina Wild Pornos gedreht, nun versucht sie sich als Schauspielerin – und hat ein Buch geschrieben. Heute liest die 33-Jährige

Sie haben kürzlich der Pornobranche den Rücken gekehrt. Wieso?

Wenn Sie zwei, drei Jahre im HardcoreGeschäft arbeiten, wird das ganz schnell zur Routine. Wie jeder andere Job auch. Aber ich will mich weiterentwickeln. Der Zeitpunkt war ideal. Ich habe Leute kennen gelernt, die mich zum Schauspielern motiviert haben, wie Wim Wenders zum Beispiel, mit dem ich mal einen Videoclip gedreht habe.

Das Pornogeschäft als solches hat Ihnen nicht gestunken?

Nein, überhaupt nicht. Ich habe aufgehört, als es am schönsten war. Mir war es noch lange nicht zu viel, aber ich habe auch nicht mehr das Gefühl, ich hätte etwas verpasst.

Wenn Sie noch einmal von vorne anfangen könnten: Würden Sie den gleichen Weg gehen?

Ja, auf jeden Fall. Das waren zwei sehr schöne, sehr prickelnde, sehr geile Jahre.

Welchen Teil Ihrer Karriere bedauern Sie?

Die Zeit, in der ich angefangen habe. Da bin ich von meinem damaligen Produzenten sehr verletzt worden, der hat mich seelisch missbraucht.

In Ihrem Buch erzählen Sie, wie Sie erst von Ihrem Mann und dann von anderen Männern motiviert wurden, die Pornokarriere zu starten. Wie weit kontrollierten andere, was da passierte?

Kontrolle hatte nie jemand über mich. Gut, bei meinem ersten Film hatte ich noch nicht so viel Einfluss, weil ich ja keine Ahnung von dem Geschäft hatte. Aber dann konnte ich mitbestimmen, mit wem ich drehen will, wie die Szenen aussehen und so weiter. Es half, dass ich meinen Mann immer an meiner Seite hatte, der auch mein Manager ist. Der hat viele Dinge von mir fern gehalten. Aber dass Männer bestimmt haben, wie mein Leben war? Nein!

Wie hat Ihre Beziehung den Ausflug ins Pornogeschäft verkraftet?

Das hat alles ganz super geklappt. Man wird ja auch ruhiger. Ich bin ja jetzt schon 33! Ich habe mich in den drei Jahren im Pornogeschäft ausgetobt, aber jetzt ist es auch schön, wieder etwas kürzer zu treten. Aber keine Bange: Wir machen trotzdem nicht zu Hause das Licht aus und ziehen uns die Decke über den Kopf.

Sie haben mal gesagt, Sie seien begeisterte Exhibitionistin, das Drehen hat Ihnen Spaß gemacht. Fehlt Ihnen heute etwas?

Nein, ich habe alles erlebt, was man da erleben kann. Aber fehlen tut’s mir nicht.

Seit Ihrem Ausstieg aus dem Pornogeschäft arbeiten Sie immer öfter als Schauspielerin, kleinere Rollen in Fernsehserien, als Mathelehrerin, Diplom-Psychologin…

Ja, ich bin sehr glücklich darüber. Natürlich ist es ein langer Weg, bis man sich als Schauspielerin durchgesetzt hat. Ich habe den Vorteil, dass ich durch Gina Wild bereits bekannt war. Darüber habe ich auch die ersten Engagements bekommen, als Quotenbringer. Jetzt will ich aber davon wegkommen.

Im vergangenen Jahr standen sie auf einer Theaterbühne in Berlin…

Ja, das hat viel Spaß gemacht. Es war ein 45-Minuten-Projekt des Schauspielhauses Hannover, das wir dann auch in Berlin im Cookies gespielt haben.

Das Stück hieß „Pornostars mit Liebeskummer“ – ein Titel nach Ihrem Geschmack?

Naja, es ist mir halt nicht schwer gefallen, das eine oder andere zu spielen. Wenn es das Stück erfordert, spiele ich gerne auch mal eine erotische Frauenrolle. Ich habe kein Problem, in der Schauspielerei diese Nische zu bekleiden. Im Gegenteil: Ich bin glücklich darüber. Mein Körper ist ja immer noch mein Instrument.

Zu Jahresbeginn haben Sie mit bloßem Busen für ein Kaffeegetränk Werbung gemacht. Eigentlich wollten Sie doch weg von der Rolle der ewigen Exhibitionistin.

Man muss einen guten Mittelweg finden. Wenn ich jetzt Mutter Theresa spielen wollte – das würde mir keiner abnehmen.

Aber Gina Wild verfolgt Sie doch, oder?

Nicht so, dass es mich nervt. Es lässt sich nun mal nicht vermeiden, dass Gina Wild immer ein Teil von mir sein wird. Ich möchte das Buch benutzen, um alle offenen Fragen zu beantworten. Und dann will ich das Kapitel endgültig zuklappen, damit ich mich weiterentwickeln kann.

Unverdrossene Fans hinterlassen immer noch Heiratsanträge auf Ihrer Homepage…

Klar, das ist doch sehr schmeichelhaft. Ich habe zwei Jahre lang gebraucht, die Leute an Gina Wild zu gewöhnen. Jetzt braucht es eben eine Zeit, bis alle sich daran gewöhnt haben, dass ich wieder Michaela Schaffrath bin.

Wen erwarten Sie bei der Lesung in Berlin – 100 Prozent Männer mittleren Alters, wie bei Ihren Autogrammstunden als Gina Wild?

Das ist ein gemischtes Publikum. Männer, Frauen, Paare, Alt und Jung. Da ist für jeden was dabei. Wir haben ein schönes Bühnenbild. Das ist wie mein Wohnzimmer gestaltet, sehr gemütlich, mit Kerzen, Tisch, Bar, ganz schnuckelig.

Da spielen Sie die Szenen aus Ihrem Buch nach?

Ha, das hätten Sie wohl gerne! Nein, das ist nur Hintergrund für die Lesung.

Sie wollen bald eine Familie gründen. Wie werden Sie Ihren Kindern vermitteln, was die Mutti damals Ende der 90er gearbeitet hat?

Ich würde den richtigen Zeitpunkt abwarten und es ihnen einfach sagen. Da würde ich kein großes Brimborium drum machen.

Und wenn Ihre Tochter eines Tages dieselbe Laufbahn einschlagen will?

Ich würde sagen: Okay – aber nur, wenn du dich von mir beraten lässt.

Welchen Rat würden Sie ihr geben?

Dass das jetzt kein Pipikram ist, sondern harte Arbeit, die man mit viel Ehrgeiz und Disziplin durchziehen muss. Aber verbieten? Ich kann einem Kind doch nichts verbieten, was ich selber gemacht habe.

Das Gespräch führte Lars von Törne

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