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Berlin: Ich will hier rauf

Er läuft an gegen Bequemlichkeit, gegen Stress und gegen den Speck – am liebsten bergauf, am Teufelsberg. Mit 30 sollte man Sport treiben, mit 40 muss man, sagt der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle

In meinem Büro steht immer ein kleiner grüner Rucksack mit Laufklamotten. Bei dem Kalender eines Politikers kann man sich kaum auf feste Termine einstellen, sondern muss laufen, wenn Zeit ist; mal morgens früh, mal abends spät und manchmal auch statt eines Mittagessens. Zwei Stunden müssen es sein, schließlich laufe ich am liebsten im Grunewald. Eine Strecke habe ich früher gemieden, aber inzwischen macht sie mir großen Spaß: der Anstieg zum Teufelsberg, für Berliner Verhältnisse hochalpines Gelände.

Einen knappen halben Kilometer geht es bergauf, nicht wirklich steil, aber genug, um meinen Herzschlag in Wallung zu bringen. Normalerweise bemühe ich mich, mit einer Pulsfrequenz um die 130 zu laufen, für mich die optimale Zone, in der ich meine Fitness verbessere, dem Fett zu Leibe rücke und hinterher noch einen klaren Gedanken fassen kann. Denn oftmals sitze ich gleich nach dem Duschen wieder am Schreibtisch. Da macht es sich nicht gut, wenn man den Rest des Tages schwer atmend und rotgesichtig über den Akten hängt.

Das Laufen ist eine der wenigen Konstanten in meinem ansonsten eher unruhigen Leben. Zwei, drei Mal die Woche muss ich da raus, sonst werde ich unleidlich. Und das kann ich meinen Mitarbeitern nicht zumuten. Außerdem gilt der Satz: Mit 30 sollte man Sport treiben, ab 40 muss man.

Für mich ist es keine Qual mehr, sondern Bereicherung. Ob Beachvolleyball, Mountainbike oder eben Laufen – Hauptsache Bewegung. Die positiven Effekte sind ja auch nicht zu übersehen. Vergangenes Jahr habe ich zehn Kilogramm abgenommen, die ich mir langsam angefuttert hatte.

Natürlich gibt es reizende Zeitgenossen, die auf meine mögliche politische Zukunft anspielen und fragen, ob Gewichtsprobleme, anschließendes manisches Laufen und erneute Gewichtsprobleme Voraussetzung für etwaige Aufgaben in der weiten Welt der Diplomatie seien. Nein, keinesfalls. Schließlich habe ich nicht die Absicht, die Anzüge von Helmut Kohl aufzutragen.

Ich war schon ganz froh, dass ich die zehn Kilometer beim Citynight-Lauf über den Ku’damm in 55 Minuten geschafft habe. Selbst das legendäre Runner’s High habe ich schon mal erlebt. Es war einer dieser Tage, an denen man sich wirklich überwinden musste, in die Laufschuhe zu steigen. Es war Winter, eiskalt, windig und Schnee lag auch. Die Belohnung war grandios. Ein klarer, stahlblauer Himmel stand über Berlin, der Blick vom Plateau war schier endlos, meine Beine, die nach einer Dreiviertelstunde schon ganz ordentlich gebrannt hatten, schienen plötzlich leicht, sie waren kaum noch zu spüren. Seitdem weiß ich, was es heißt, wenn Läufer sagen, sie seien süchtig nach den Endorphinen, nach diesem Kick, den uns der Körper schenkt.

Natürlich gibt es auch den gegenteiligen Moment, wenn man zum Beispiel nach einer guten halben Stunde spürt, dass man vorher etwas wenig gegessen hat, wenn sich plötzlich Magen und Muskeln ausgesprochen widerspenstig gebärden. Viele Anfänger hören in diesem Moment auf, ich laufe dagegen einfach weiter. Denn der Körper wird tatsächlich damit fertig, dass er sich die Energie woanders herholen muss. Nur so funktioniert schließlich auch das Abnehmen durchs Laufen: Man muss einfach nur mehr Energie verbrennen, als man zu sich nimmt.

Diese Regel gilt allerdings ausdrücklich nur für den Sport und nicht für die Politik.

Folge5 am kommenden Sonnabend. Der Tipp von Sat1-Moderator Ulrich Meyer: Joggen am Lietzensee.

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