zum Hauptinhalt
Kreuz, quer und rund. Autofahrer und Fußgänger nutzen den Moritzplatz bislang vor allem zum Weiterkommen. Dabei geraten sie sich nicht selten in die Quere. Der Entwurf der Landschaftsarchitekten sieht vor, die Mittelinsel zu verkleinern, um vor den Gebäuden Plätze mit Aufenthaltsqualität zu entwickeln. Hier könnten Sitzbänke unter Bäumen entstehen. Die Grünanlage an der Otto-Suhr-Siedlung wird attraktiver gestaltet und mit zwei Stufen zum Platz hin abgegrenzt. So soll eine grüne Platzkante entstehen. Auf der Seite der Prinzessinnengärten sind Neubauten vorgesehen.

© Entwurf/Simulation: Henningsen landschaftsarchitekten

Ideen für den Moritzplatz: Ein Glaskubus lässt Licht in den Tunnel – und Kirschbäume bringen Farbe

Von der Einkaufsmeile zum Opfer der Autobahnplanung. Der Moritzplatz ist vor allem ein großer Verkehrskreisel. Das soll sich ändern

Die Vision

Kreisel verflüssigen den Autoverkehr, für Fußgänger und Radler sind sie jedoch mordsgefährlich. Um dieses Dilemma aufzulösen, hat sich das Planungsbüro Henningsen entschieden, die unterirdische Passage des U-Bahnhofs Moritzplatz aufzuwerten und in die Platzarchitektur zu integrieren. Dazu würde die Decke des Bahnhofs unter der Mittelinsel geöffnet und mit einem großen Glaskubus versehen werden. So käme Tageslicht in den Bahnhof, und die Passanten könnten in der Lichtkuppel, die als begehbare Skulptur verstanden werden kann, den sie umkreisenden Autoverkehr beobachten. Die Mittelinsel würde verkleinert und die gewonnene Fläche den Plätzen vor den Gebäuden zugeschlagen, um die Aufenthaltsqualität auf dem Moritzplatz insgesamt zu verbessern. Kirschbäume könnten mehr Farbe an diesen Ort bringen. Aufgelockert würden die Bereiche durch Sitzmöglichkeiten und Pflanzbeete.

Der Glaskubus soll rund anderthalb Meter über den Boden aufragen und wäre damit als interessantes Gestaltungsobjekt auf der langen Achse der Oranienstraße gut sichtbar – besonders nachts, wenn er von innen leuchtet. Der optische Fixpunkt des Moritzplatzes wäre somit eine gläserne, von Ziergräsern bewachsene Insel, die sich in die grüne Platzumgebung einfügt und dem Flaneur ganz unprätentiös das Angebot macht: Schau mal rein! Die Mittelinsel, durch die Barriere des fließenden Verkehrs von der Außenwelt abgetrennt, wäre wieder erreichbar – zumindest indirekt – und die weithin verschmähten und vernachlässigten Unterführungen aus der Stadterneuerung der siebziger Jahre hätten an diesem Ort eine Rehabilitierung erfahren.

Der Moritzplatz hätte dadurch neben dem Oranien- und dem Heinrichplatz ein eigenständiges, deutlich moderneres Profil gewonnen. Das Aufbau-Haus mit seiner Fassade aus Betonplatten und großen Glasflächen hat zu dieser Profilierung bereits den Grundstein gelegt. Geplant ist, die Bebauung an der Oranienstraße bis zum Elsnerhaus zu schließen.

Die historische Quadratur des Platzes möchten die Landschaftsarchitekten zumindest wieder andeuten. Die alten Platzkanten, erhalten nur noch an der Nordostseite, sollen durch weitere Bebauung vor allem auf der Seite des Wertheim-Grundstücks wieder aufleben. Auf der Nordwestseite würde die vorhandene und leicht verwilderte Grünanlage durch Bänke, Wege und eine Auslichtung des Baumbestandes aufgewertet. Zum Platz hin sollen zwei Stufen an die historische Bebauung erinnern. Vorteilhaft wäre, die Grünanlage mit einem Café zu bereichern, samt großzügiger Außenterrasse, von Bäumen beschattet.

Die Prinzessinnengärten auf dem Wertheimgelände könnten in das Platzkonzept integriert werden, auch wenn der Entwurf eine Blockrandbebauung vorsieht. Das hängt natürlich vom möglichen Investor ab. Auch hinter den bestehenden Altbauten am Nordostrand existieren große Grün- und Freiflächen. Nach einer Erweiterung des Aufbau-Hauses entlang der Oranienstraße soll auch dort ein grüner Hof entstehen. Zwischen Aufbau-Haus und Wertheimgrundstück ist ein weiterer Zebrastreifen vorgesehen, der die vorhandenen Überwege komplettiert.

Am Moritzplatz, sind die Planer des Teams Henningsen überzeugt, könnte sich auf diese Weise eine fast mediterrane Stimmung entwickeln und damit eine gute Arbeitsatmosphäre für Kreative geschaffen werden. Arbeiten und Wohlfühlen, Geld verdienen und Ideen verwirklichen verstehen sie nicht als Gegensätze, sondern als sich anziehende Pole.

Das Wertheim-Kaufhaus dominierte den Platz früher. Das Foto stammt aus dem Jahr 1956.
Das Wertheim-Kaufhaus dominierte den Platz früher. Das Foto stammt aus dem Jahr 1956.

© ullstein bild

Die Gegenwart

Am Moritzplatz früherer Tage brummte das Geschäft. Das Wertheim-Kaufhaus – unser Foto stammt vom Februar 1956 – war praktisch der „Ankermieter“ für das Areal. Zwei Straßenbahnlinien kreuzten hier, Bäume oder Wiesen hatten die Stadtplaner nicht vorgesehen. Ein „harter Platz“, so bezeichnet ihn Planer Jens Henningsen, aber trotzdem ein lebendiger. Die Zerstörungen des Krieges kamen den Verkehrsplanern der Nachkriegszeit gelegen, um ihre Visionen einer autogerechten Stadt zu verwirklichen: der Moritzplatz als Bauernopfer für ein Schnellstraßengewebe, das die Stadt als Transfergebiet definierte. Statt einer Autobahn kam die Mauer und rückte den Platz an den West-Berliner Stadtrand. Pioniere wie die „Galerie am Moritzplatz“ verschwanden, ohne das Quartier nachhaltig in die Stadtöffentlichkeit zurückzuholen. Der U-Bahnhof Moritzplatz, der auf Betreiben von Georg Wertheim mit viel privatem Geld geschaffen wurde, entwickelte sich zum unwirtlichen „Last Exit“, bevor der Zug Richtung Ost-Berlin weiterfuhr. Mit Ausgängen in alle Himmelsrichtungen war und ist der Bahnhof Moritzplatz reich gesegnet, nur mangelte es bislang an Nutzern. Der Trend indes ist positiv. Allerdings gibt es noch keine Kioske, Snackbäcker und Imbisse wie anderswo.

Die Landschaftsarchitekten des Büros Henningsen: Jens Henningsen, Johanna Fecke und Eva Zerjatke.
Die Landschaftsarchitekten des Büros Henningsen: Jens Henningsen, Johanna Fecke und Eva Zerjatke.

© Kai-Uwe Heinrich

Das Planungsteam

Schwerpunkte des Büros Henningsen sind Denkmalschutz-Projekte und öffentliche Freiraumgestaltung. Zuletzt waren die Landschaftsarchitekten um Jens Henningsen, Johanna Fecke und Eva Zerjatke mit der Welterbestätte Hufeisensiedlung beschäftigt. Dort mussten erhebliche Vorbehalte bei Bewohnern und Naturschützern überwunden werden, um eine fachgerechte Lösung zu erreichen. Der Denkmalschutz spielte auch bei der Sanierung des Kreuzberger Mariannenplatzes eine Rolle. Beim Moritzplatz existiert kein Denkmalschutz, dennoch nimmt der Entwurf Rücksicht auf die vergangene Platzgestalt. Das Büro wurde 1992 gegründet und beschäftigt acht Mitarbeiter. Jens Henningsen hat neben „Landespflege“ auch Wirtschaftsingenieurwesen studiert, prüft Projekte auch auf ihre Nachhaltigkeit. „Grüne Ökonomie“ nennt er das.

– Henningsen Landschaftsarchitekten, Schlesische Str. 29/30. www.henningsen-berlin.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false