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Berlin: Idyll hinterm Deich

Ein kleines Dorf an der Oder lebt auf – mit Theater, Gasthof, Galerie und Weinstube. Der Name: Zollbrücke

Zollbrücke - Das Sackgassenschild signalisiert auf dem Weg nach Zollbrücke schon viele Kilometer vor dem Ort nicht nur das baldige Ende der Straße. Diese stößt 80 Kilometer nordöstlich Berlins schließlich auf die Oder – und damit auf die äußerste östliche Grenze Brandenburgs und somit auch Deutschlands. Dennoch überrascht der lebhafte Verkehr, zumal hier im Unterschied zu anderen Orten kein Billigmarkt mit Benzin und Zigaretten zu Schleuderpreisen lockt. Die Attraktionen im nicht einmal 50 Einwohner zählenden Dorf sind alle hausgemacht: Das vom Schauspieler Thomas Rühmann und vom Akkordeonspieler Tobias Morgenstern gegründete „Theater am Rand“ gehört ebenso dazu wie der Ziegenhof, der Eisladen am Gasthof „Zollbrücke“, der selbst in diesen sonnigen Tagen zum Spazieren und Radfahren einladende Deich oberhalb des Stroms und neuerdings auch die „Dammmeisterei“.

Das denkmalgeschützte Ensemble steht seit wenigen Tagen als Restaurant, Weinstube und Galerie wieder offen, nachdem der vorherige Pächter in die Pleite gerutscht war und die Anlage verlassen hatte. „Wir glauben an die Anziehungskraft von Zollbrücke“, sagt der neue Pächter Thomas Berge. „Wir bieten uns den 70 Künstlern im Oderbruch als Ausstellungspodium an, zeigen neue Ausstellungen und wollen uns sowohl für die Theaterbesucher als auch Radfahrer als gute Adresse empfehlen.“ Dafür hat der gelernte Koch, Kellner und Eventmanager das Platzangebot erweitert.

Die Gäste in Zollbrücke, deren Zahl jährlich auf 60 000 geschätzt wird, können sich in der Dammmeisterei nicht nur stärken. Interessant ist auch die Geschichte des Ensembles, das die private Lübbering-Stiftung in den vorigen Jahren aufwendig restaurieren ließ.

Immerhin wohnte hier ab der Mitte des 18. Jahrhunderts der Brückenwärter, auf den der Name Zollbrücke zurückgeht. Die Oderbrücke selbst stürzte 1805 ein, so dass eine Fähre den Verkehr übernahm. Die Frau des Fährmanns bewirtete schon damals die an- und abreisenden Gäste. Ab 1892 wohnte der Deichinspekteur im Haus hinterm Oderdamm; zum Gehöft gehörten ein Stall und ein Lagerraum für Dammbohlen, die beide jetzt als Gast- und Galerieraum dienen.

Gern würde Pächter Thomas Berge hier auch Trauungen und Hochzeitsfeiern ausrichten. „Der Name ‚Zollbrücke’ spricht doch für sich“, meint er. Die Gespräche mit den zuständigen Behörden haben gerade erst begonnen.

Die schönste Art der Anreise nach Zollbrücke bietet gerade in diesem Herbst das Fahrrad. Vom Bahnhof Wriezen, zu dem die Züge der Ostdeutschen Eisenbahn aus Berlin-Lichtenberg, Hohenschönhausen und Bernau fahren, führt ein glattes Asphaltband auf elf Kilometern direkt zur Oder. Die Trasse der ehemaligen Oderbruchbahn ist zu einem Radweg umgestaltet worden. Einige Kilometer vor der Oder kann der Radler nach Zollbrücke abbiegen. In weniger als einer Stunde ist der Weg geschafft. Man kann auch direkt zur Oder fahren und in Bienenwerder mit seiner stillgelegten Eisenbahnbrücke auf die Oder-Neiße-Trasse abbiegen und auf ihr in den ungewöhnlichen Ort fahren. Claus-Dieter Steyer

Das Dammmeisterhaus hat freitags ab 15 sowie sonnabends und sonntags ab 12 Uhr bis jeweils 22 Uhr geöffnet. Informationen zum Spielplan des Theaters unter www.theateramrand.de

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