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Abseits der Glotze. Auf der Ifa gibt es viel mehr zu sehen als bloß Multimedia. Hier wird auch gebürstet, gesaugt, gewaschen und gekocht. Fußballfrau Sylvie van der Vaart bewirbt mit strahlend weißem Lächeln elektrische Zahnbürsten, Messehostessen säubern Staubsauger mit Staubwedeln, und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) zeigt Interesse für Küchengeräte. Fotos: dapd(2), dpa

© dapd

Ifa: Wischen, Wedeln, Dröhnen

Handys, superscharfe Bilder, die total vernetzte Kommunikation: Die meisten Ifa-Besucher ballen sich dort, wo die Branche um Smartphones und Tablet-PCs ihre neusten Neuheiten zeigt. Wer auf der Messe Stabmixer verkaufen will, hat es schwer.

Evelyn hat ein T-Shirt an, auf dem „Hammerbraut“ steht. Bevor sie auf der Bühne eines deutschen Telekommunikationsgiganten am Freitagmorgen auf der Internationalen Funkausstellung (Ifa) ein Quizspiel spielt, an dessen Ende sie ein Navigationsgerät gewonnen haben wird, wird sie von der Moderatorin gefragt, was sie auf der Ifa besonders interessiert. Evelyn sagt: „Alles, was mit Handys zu tun hat.“

Mit dieser Schwerpunktsetzung steht Evelyn sichtlich nicht allein. Die meisten Ifa-Besucher, das zeigt ein Gang durch die Messehallen am Freitagvormittag, ballen sich dort, wo die Innovationsbranche um Smartphones und Tablet-PCs ihre neusten Neuheiten zeigt. Andernorts ist es beschaulicher: Am Stand eines Staubsaugerherstellers testet ein einzelner Kunde die angebotene Ware auf Herz und Nieren – die Szene erweckt den Eindruck, als sei die Messe bereits vorbei und die Putzkolonne aktiv. Und auch bei den Herstellern der sogenannten weißen Ware tummelt sich eher Fachpublikum. Der Grund scheint klar: Die Trommeln von Waschmaschinen lassen sich nicht neu erfinden, die Möglichkeiten zur Minimalisierung der Gefriertruhe sind begrenzt, und der Stabmixer braucht keinen Online-Zugang.

Bildergalerie: Neuheiten auf der Ifa

Wie aber reagiert, wer mit seinen Produkten im toten Winkel der Innovationsmesse steht? Eine Möglichkeit: Er verbindet sein Image mit der Glitzerwelt eine halbe Branche weiter. „Unterhaltungselektronik für die Geschmacksnerven“ nennt ein Hersteller von Küchengeräten seine Schöpfungen, ein anderer preist eine Waage, „flach wie ein Ipad“. Wer nicht derartig auftrumpft, braucht mindestens einen TV-Koch, um Innovation mit Event aufzuwiegen.

Allerdings müssen die angepriesenen Features natürlich trotzdem einen gewissen Neuigkeitswert haben. Als Johann Lafer in einer Halle begeistert vorführt, dass sich sein Pürierstab in zwei Teile teilen lässt – „Sie müssen nicht mehr mit dem tropfenden Ding durch die Küche laufen“ – da ist der Betrachter ob so viel Wirbel um Selbstverständlichkeiten, eher ent- als begeistert.

Der schlichte Knopfdruck wird durch Bewegungssteuerung ersetzt

Nicht zuletzt wegen derartiger Scheinneuheiten geht der Blick schließlich doch zur sogenannten „Smart Communication“, dahin, wo permanent die Welt neu gedacht wird, vernetzter, kleiner, praktischer. Was bleibt, so fragen sich überzeugte Kulturpessimisten ja seit langem, für den Menschen, wenn ihm Geräte ständig Zerstreuung bieten? Wird er dick und träge? Verkümmert die Fantasie? I wo, wer so was glaubt, hat noch nicht mit den – natürlich hauchdünnen – Messehostessen in der Kathedrale eines koreanischen Smartphone- und Tabletherstellers gesprochen. Auf ein simples „Worum geht’s hier?“ folgt eine wahrhaft poetische Übung für den Möglichkeitssinn: „Stellen wir uns vor, ich wäre in Australien und Sie wären mein Bruder hier in Deutschland...“ Wer da nicht Lust auf eine Technologie bekommt, die jedes Foto der Schwester sofort auf das Handy des Bruders überträgt, ist selbst schuld. Und wer – schlimmer noch – die pedantische Nachfrage stellt, was denn sei, wenn die Schwester nicht wolle, dass die Verwandtschaft alles zugespielt bekommt, was sie sich in australischen Nächten so zusammenfotografiert, der hat es verdient, dass die junge Frau flott zum nächsten fiktiven Familienmitglied übergeht.

Der Möglichkeitssinn wird indes auch dort gereizt, wo ein anderer großer Trend der letzten Jahre vorangetrieben wird: Die Ersetzung des bewährten Knopfdrucks durch aufwendige und – das lässt sich gut beobachten – zur Zeit noch reichlich dysfunktionale Sprach- oder Bewegungssteuerungen scheint bei den Herstellern technischer Geräte beschlossene Sache. Kaum ein Stand, wo niemand vor einem Bildschirm fuchtelt, wedelt oder rumbrüllt. Unwillkürlich denkt man an Szenen einer Ehe, in denen der Mann „Klappe zu!“ ruft und dann seiner Frau lange erklären muss, dass er den Kühlschrank und nicht sie meinte. Allein für diese Vorstellung lohnt sich der Ifa-Besuch.

Was aber bleibt sonst zu sagen, da in erster Linie die Trends der letzten Jahre bestätigt werden? Vielleicht ja, dass das Zusammenwachsen von allem mit allem und der Technik mit dem Menschen weiter voranschreitet. Vielleicht auch einfach, dass eine wichtige Innovation – eine 3D-Brille, die auch Brillenträger mit fettigem Nasenrücken ohne permanentes Nachjustieren tragen können – weiter auf sich warten lässt. Vielleicht aber auch nur, dass nicht alles, was Sinn ergibt, auch sinnvoll ist.

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