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Berlin: Igor Pikus: Gutachten kommt zu spät

Der entflohene Straftäter Igor Pikus hätte bereits im Dezember in eine bayerische Haftanstalt überführt werden können. Pikus gilt seit Jahren als geheilt, ein neuer Haftbefehl der Hofer Staatsanwaltschaft war erlassen.

Der entflohene Straftäter Igor Pikus hätte bereits im Dezember in eine bayerische Haftanstalt überführt werden können. Pikus gilt seit Jahren als geheilt, ein neuer Haftbefehl der Hofer Staatsanwaltschaft war erlassen. Für die Überstellung in ein Gefängnis wäre allerdings ein Gutachten nötig gewesen. Das hätte seit Dezember vorliegen sollen - und wurde bis heute nicht fertig, weil der zuständige Experte zu sehr mit dem Fall Schmökel beschäftigt war.

Igor Pikus gilt den Ermittlern als hochkarätiger Krimineller, als führender Kopf einer kriminellen Bande. Er sei an Autoschiebereien in großem Stil beteiligt, so die Fahnder - und möglicherweise auch in mehrere ungeklärte Todesfälle verstrickt. Zehn Mitglieder der Bande sind in Bayern bereits zu Haftstrafen bis zu zehn Jahren verurteilt worden, derzeit steht der mutmaßliche Chef der Gruppe vor Gericht. Nur noch Pikus, der als rechte Hand des Bandenkopfs gilt, fehlte den bayrischen Ermittlern. Sie beantragten einen Haftbefehl, den ein Ermittlungsrichter am Amtsgericht Tiergarten am 20. Dezember 2000 auch erließ. Um Pikus nach Bayern zu bringen, wäre nur noch ein Gutachten nötig gewesen, das feststellt, dass der Patient inzwischen geheilt ist und deshalb die Karl-Bonhoeffer-Klinik verlassen kann.

Im Oktober 1995 waren die Ärzte zu dem Ergebnis gekommen, dass Igor Pikus an einer "Psychose aus dem schizophrene Formenkreis" leide. Pikus, der seine Freundin vergewaltigt und geschlagen hatte, wurde deshalb vom Gericht frei gesprochen und in den Maßregelvollzug der Bonhoeffer-Nervenklinik eingewiesen. Doch schon einen Monat später, erinnert sich eine leitende Psychologin, seien die Symptome nicht mehr festzustellen gewesen. Spätestens seit der ersten Flucht von Pikus im Mai 1997 gingen die Ärzte davon aus, dass ihr Patient nicht mehr krank ist.

Fast zwei Jahre lang blieb Pikus untergetaucht und organisierte nach den Erkenntnissen der bayrischen Ermittler weiter seine kriminellen Geschäfte - bis er am 7. Februar 2000 auf dem Warschauer Flughafen erneut festgenommen wurde. Pikus wurde wieder in die Klinik gebracht. "Bei der Wiederaufnahme Ende Juli war Herr Pikus völlig symptomfrei", schrieben die Klinik-Ärzte am 8. August an die Berliner Justiz. Es bestehe eine "hohe Gefährlichkeit sowie Entweichungsgefährdung". Pikus, das schien klar, gehört nicht in eine Nervenklinik.

Daraufhin beantragte die zuständige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Berlin am 1. September ein Gutachten, das klären sollte, ob Pikus noch krank ist. Beauftragt wurde ein Psychiater, der auch mit einer Expertise über den im Oktober entflohenen Sexualstraftäter Frank Schmökel befasst ist. Das Pikus-Gutachten sollte Ende 2000 fertig sein, zeitgleich beantragten die bayerischen Staatsanwälte den neuen Haftbefehl, damit der 32-Jährige postwendend nach Bayern gebracht werden konnte. Doch das Gutachten verzögerte sich: der Psychiater habe zu viel mit dem Fall Schmökel zu tun, hieß es. Das Gutachten könne erst Ende Februar fertig sein - es liegt bis heute nicht vor. Die Verzögerung nutzte Pikus schließlich, um aus der wesentlich schlechter gesicherten Nervenklinik auszubrechen.

Möglicherweise hat Pikus Ärzte und Jursiten von Anfgang an genarrt. Das erste Gutachten 1995 konnte nur unter erschwerten Bedingungen mit Hilfe eines Dolmetschers erstellt werden. Chefarzt Rolf Bayerl, der Pikus über die Jahre in der Bonhoeffer-Klinik beobachtete, sagt: "Heute weiß ich es: Er ist gesund."

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