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Berlin: Ilseken, du warst dufte

Die Zeit in Berlin und Potsdam war für Ilse Werner die schönste ihres Lebens. Jetzt wird sie in Babelsberg begraben

Solch ein Prunkbau der Filmkunst hätte eine Jungschauspielerin wohl auch bei weniger applaudierendem Publikum beeindruckt: geformt nach dem Vorbild des Colosseums, mit imposantemVorplatz, üppig über die geschwungene Fassade verteilten Pilastern, Gesimsbändern, Balkonen und Fenstern, innen mit viel Gold und Silber, mit über 2000 Sitzplätzen. Ein Traum von einem Kino, schon der Name „Atrium“ eine Verheißung, an der Bundesallee gelegen, damals noch Kaiserallee, Ecke Berliner Straße. Und dann erst das Publikum an diesem denkwürdigen Abend des Jahres 1938, als „Die unruhigen Mädchen“ deutsche Uraufführung hatten. Die erste Premiere der 17-jährigen Ilse Werner, die eigens aus Wien mit dem Schlafwagen nach Berlin gekommen war, begleitet von ihrer Mutter. „Das Berliner Publikum war eine Wucht“, erinnerte sie sich gern. Nach der Vorstellung habe eine „Sympathiewelle“ sie überrollt. „Ilseken, du bist dufte“ oder „Mensch, is det Ilseken een nettes Mädel“, tönte ihr entgegen, was der Berliner damals eben so sagte, wenn ihm jemand besonders gefiel. Ilse Werner war überwältigt, noch auf der Rückfahrt hat sie ihrer Mutter gesagt: „Mami, ich möchte für immer in Berlin bleiben.“

Das ist ihr nicht gelungen. „Andere Leute verreisen. Ich ziehe um“ – so hat sie die über 75 Umzüge ihres Lebens in einem Gespräch mit dem Tagesspiegel einmal beschrieben – da lebte sie schon in einem Altersheim in Lübeck, wo sie gestern in den frühen Morgenstunden starb. Aber die Jahre bei der Ufa in Berlin und in Potsdam-Babelsberg, die Zeit ihrer größten Erfolge also, das waren doch für sie „die schönsten Jahre in meinem Leben“ – auch, wenn sie nur eine vergleichsweise knappe Spanne umfassten.

Ihren Debütfilm hatte die Max-Reinhardt-Schülerin noch in Österreich gedreht, Ufa-Vertreter waren aufmerksam geworden und hatten sie zu Probeaufnahmen eingeladen. Ilse Werner fand das Ergebnis jämmerlich, die Babelsberger Filmleute hat es überzeugt. Aber schon der erste Ufa-Film „Das Leben kann so schön sein“ zeigte, was Filmen unter Propagandaminister Goebbels bedeuten konnte: Der Film wurde als unerwünscht verboten. Wohnungsnot, Existenzangst, die Nöte eines jungen Ehepaares – kein Stoff fürs Ufa-Kino.

Zweimal sollte Ilse Werner auch persönlich mit dem Filmminister zusammenstoßen: als man ihr unterstellte, sie markiere eine Kreislaufschwäche nur, und sie ins Ministerium zitiert wurde, und als sie, die Holländerin, einem Mann nach Guatemala folgen und ihren Ufa-Vertrag brechen wollte. Aber das waren nur kurze Zwischenfälle, die an ihrer Begeisterung für die Ufa nichts ändern konnten. Dort war sie schließlich einer der führenden Stars, entsprach genau dem offiziellen Frauenideal, konnte in dem aufwändigen Film „Münchhausen“ an der Seite von Hans Albers glänzen oder auch in „Große Freiheit Nr. 7“, der aber in Deutschland ebenfalls verboten wurde und erst nach Kriegsende dort zur Uraufführung kam.

Teilweise wurde der Film trotz des Hamburger Stoffes in Berlin gedreht, in Studios an der Tempelhofer Oberlandstraße. Wegen der Bombenangriffe war das Filmteam umgezogen, die Große Freiheit wurde in der Mittelhalle wieder aufgebaut. Das war nur von kurzer Dauer, wie Ilse Werner sich erinnerte: „Nach einem Bombenangriff war sie hin.“

In Potsdam, wo sie die meisten ihrer Filme drehte und dessen Filmmuseum sie 2004 ihre persönliche Sammlung übergab, wird sie nun auch begraben. Babelsberg hat sie damals immer als eine „Insel“ empfunden. „Morgens wurde man von einem Chauffeur abgeholt. Wenn man durchs Tor gegangen war, befand man sich in einem eigenen Reich.“ Der Pförtner habe immer voller Galgenhumor gegrüßt: „Hallo, Frau Werner, na, leben Sie noch?“ Und selbst nach einem besonders verheerenden Angriff konnte man in Babelsberg noch witzeln: „Wenn die Engländer das nächste Mal kommen, müssen sie ein paar Häuser mitbringen.“

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