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Berlin: Im Abseits - bei der Fußball-WM 2006 ist die Hauptstadt womöglich nur am Schirm dabei

Geht es auch ohne Berlin? Eine Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland ohne die Hauptstadt und ihr baufälliges Olympiastadion, dessen Sanierung nicht vorankommt?

Geht es auch ohne Berlin? Eine Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland ohne die Hauptstadt und ihr baufälliges Olympiastadion, dessen Sanierung nicht vorankommt? Auch davon will sich eine Expertenkommission des Fußball-Weltverbandes Fifa heute ein Bild machen. Vier Tage lang haben die sechs Herren Stadien und Infrastruktur inspiziert wegen Deutschlands Bewerbung um die WM 2006. Nach Berlin kommen sie zum besten Zeitpunkt. Wenn Hertha BSC heute Abend in der Champions League gegen den AC Mailand kickt, werden 76 000 Zuschauer die gröbsten Baumängel im Olympiastadion verdecken.

Diese Kulisse kann dazu beitragen, dass Berlin eine Pleite wie die gescheiterte Olympiabewerbung erspart bleibt. Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees hatte ein ausverkauftes Olympiastadion nie gesehen. Als Juan Antonio Samaranch 1993 Berlin besuchte, wurde er von schwer bewaffneten Personenschützern eskortiert. Und da war das Video, auf dem militante Autonome die Gäste mit einem Stein in der Faust begrüßten.

Die Idee einer Fußball-WM in Deutschland findet dagegen breite Zustimmung. Wer zweifelt ernsthaft daran, dass die Deutschen eine Veranstaltung dieser Größenordnung organisieren können? Chefinspektor Alan Rothenberg hat die Bewerbung bereits mit dem Prädikat "fantastisch" bedacht. Doch Kompetenz allein zählt nicht im internationalen Sportgeschäft. Sonst hätte Sion den Zuschlag für die Olympischen Winterspiele 2006 bekommen müssen statt Turin. Und die Fußball-Europameisterschaft 2004 eher Spanien als das kleine Portugal.

Verantwortlich für die Vergabe der WM sind 24 ausgesuchte Fifa-Funktionäre. Sie haben sich ihre Meinung lange vor dem Bericht der Expertenkommission gebildet. Ihre Entscheidung hängt weniger vom Bild ab, das Berlin heute bietet, als von Fragen, die sich auch der Deutsche Fußball-Bund stellen sollte: Wie schwer wiegt nach Überwindung der Apartheid das moralische Recht Südafrikas, zum ersten Mal eine WM in Afrika auszurichten? Wie hoch ist der Schaden, den DFB-Präsident Egidius Braun mit seinen ungeschickten Bemerkungen über den unterlegenen EM-Bewerber Spanien angerichtet hat, und wird Spaniens Verbandschef Villar als Mitglied der Fifa-Exekutive die Gelegenheit zur Revanche nutzen? Hat Fifa-Präsident Blatter den Deutschen verziehen, dass diese im vergangenen Jahr den Schweden Lennart Johansson vorgezogen hatten?

Franz Beckenbauer hat damals noch rechtzeitig auf Blatter umgeschwenkt. Mit ihm, dem Global Player des deutschen Fußballs, steht und fällt die Bewerbung. Beckenbauer setzte vorsorglich die Steuerbefreiung für die steinreiche Fifa durch - bei Oskar Lafontaine, als der noch Finanzminister war und keine Bücher schrieb über die Ungerechtigkeiten dieser Welt. Im Hochsommer hat Beckenbauer die Nationalmannschaft gegen alle sportliche Vernunft auf Werbetour nach Mexiko geschickt: zu einer Zirkusveranstaltung namens Konföderationen-Cup. Spieler und Trainer wurden in der Öffentlichkeit zerrissen. An Beckenbauer, den Verantwortlichen, traute sich keiner heran.

Beckenbauer war es auch, der kürzlich laut nachdachte, die deutsche WM-Bewerbung sei nicht auf Berlin angewiesen. Wenn die Sanierung des Olympiastadions nicht vorankomme, würden Eröffnungsspiel und Finale halt in München steigen. Von zögerlichen Landespolitikern will Beckenbauer die Bewerbung nicht kaputtmachen lassen. Im Zweifel geht es tatsächlich ohne Berlin.

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