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Berlin: Im Bauch des Bücherschiffs

Die Staatsbibliothek an der Potsdamer Straße wird 25 Jahre alt – und feiert das Jubiläum am heutigen Montag mit einer „Langen Nacht“

„Seit 25 Jahren freue ich mich jeden Tag am Lesesaal. Diese absolute Ruhe, dieses Licht, diese Atmosphäre!“ Johannes Zieglers Augen leuchten, wenn er von der Staatsbibliothek schwärmt, von der Akustik, die eine gewisse Stille auch bei 800 Besuchern (mehr dürfen gleichzeitig nicht rein) gewährleistet. Ziegler ist von Anfang an dabei. Als er vor 25 Jahren anfing, war vor seinem Fenster nur eine große Brachfläche zu sehen, in der – einsam und allein – die Philharmonie stand. Zweihundert Meter hinter ihm stand die Mauer. „Unser Haus lag am Rand der Stadt“.

Längst liegt es in der Mitte, und am Montag feiert die Staatsbibliothek an der Potsdamer Straße ihr Jubiläum. Das „Bücherschiff“ ist nun so alt wie die meisten seiner täglich 3500 Besucher; überwiegend Studenten, von denen viele zum Kummer der Bibliotheksleitung nur kommen, um einmal einen ruhigen Platz zum Arbeiten zu finden. Die Stabi feiert ein Jubiläum, das viele Ältere, vor allem West-Berliner, in Erstaunen versetzt. Steht der Bau mit der merkwürdigen Form wirklich erst 25 Jahre? Jüngere Leute aber wundern sich, dass die Stabi schon so alt ist.

Seit die Neubauten am Potsdamer Platz hochgewachsen sind, das Musical-Theater und die Spielbank nicht ohne architektonisches Feingefühl an die Rückfront der Stabi gesetzt wurden, glauben viele Besucher, die Bibliothek gehöre zum Potsdamer-Platz-Ensemble. Um so schmerzlicher wird von vielen Gästen und Passanten ein Stabi-Durchgang zwischen Potsdamer Platz und Kulturforum vermisst. Daimler-Chrysler-Sprecherin Ute Wüest von Vellberg hält die Pass®age für unumgänglich, um das Kulturforum an den Potsdamer Platz „anzubinden“. Aber Stefanie Hauer von der für Stabi-Fragen zuständigen Stiftung Preußischer Kulturbesitz kontert: „Die Sache ist vom Tisch“. Die Bibliothek will vom Durchgangsverkehr verschont bleiben. Der organisatorische Ablauf werde gestört, betont Sprecherin Jeanette Lamble.

Während der elfjährigen Planungs- und Bauphase des Hauses war an eine Wiedervereinigung der Stadt nicht zu denken. Gleich hinter dem Haus plante der Senat noch eine Stadtautobahn. Der Architekt Hans Scharoun, der die Philharmonie und Skizzen fürs Kulturforum entworfen hatte, verpasste dem Bau die abweisende Rückfront. Sie war seine Antwort auf die Autobahn. Edgar Wisniewski, Mitarbeiter des Architekten, führte nach dessen Tod 1972 die Planung zu Ende.

Das Haus galt als revolutionär. Mit seinen verschiedenen Ebenen wollten die Planer eine „offene, demokratische Bildungslandschaft“ zeigen, mit sehr viel natürlichem Licht von oben. Dass sich hinter dem zeitlosen, lang gezogenen Klotz 15 Magazin-Etagen verstecken, blieb unsichtbar.

Zur Eröffnung 1978 sprachen Kritiker vom gewaltigen Bau- und Raumgebirge, lobten aber das unvergleichbare Raumerlebnis. In die Magazine kamen zwei Millionen wissenschaftliche Bände, die während des Krieges aus der alten Staatsbibliothek Unter den Linden beispielsweise nach Tübingen oder Marburg ausgelagert worden waren. Heute verfügt die Stabi an der Potsdamer Straße über fünf Millionen Bände, fünf weitere Millionen lagern im historischen Gebäude der Staatsbibliothek Unter den Linden. Beide Häuser wurden vor fast zwölf Jahren zusammengeführt, an beiden Standorten will die Bibliothek festhalten, zumal auch der Platz für Druckschriften immer knapper wird. Jedes Jahr kommen 100 000 dazu.

Bevor der Neubau stand, war 1972 am Haus Huth eine Traglufthalle für zwei Millionen Bände errichtet worden. Ein Orkan zerriss die Hülle. Und als der Neubau stand, kamen anfangs wenig Besucher. Die Mitarbeiter fürchteten schon um ihre Jobs. Damals hätte Johannes Ziegler nicht zu hoffen gewagt, noch in 25 Jahren dabei zu sein.

Zum Jubiläum am Montag lädt die Bibliothek zur „Langen Nacht“ an die Potsdamer Straße 33. Bei freiem Eintritt ist bis 23 Uhr geöffnet. Es gibt ein Preisausschreiben, Führungen und Preisnachlässe auf Publikationen.

Weiteres zur Staatsbibliothek unter www.staatsbibliothek-berlin.de

Christian van Lessen

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