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Berlin: Im Dienste seines Präsidenten

William R. Timken hat einen schwierigen Job: Er ist US-Botschafter Zu Besuch bei einem Mann, der im Leben eigentlich schon alles erreicht hat

Der Botschafter erwartet den vorweihnachtlichen Besuch mit einem einladenden Lächeln in der Eingangshalle seiner Residenz. Hinter ihm steht die amerikanische Flagge, die vor allem im ländlichen Amerika so viele Häuser innen und außen schmückt.

Botschafter sein in Zeiten der Globalisierung und der Terrorbekämpfung ist ein heikler Job. Als William Robert Timken von US-Präsident George W. Bush im August nach Deutschland entsandt wurde, fehlte in kaum einem Zeitungsartikel der Hinweis, dass der sehr erfolgreiche Unternehmer einige Hunderttausend Dollar für den Wahlkampf des Präsidenten gespendet hat. War der Botschafterposten also eine Belohnung für den „Super Ranger“, wie Großspender ab 200 000 Dollar genannt werden? Darauf kommen wir erst später zu sprechen. Zunächst führt Timken durch seine weihnachtlich geschmückten Salons und zeigt, dass sich auch ein sehr reicher Mann freuen kann wie ein Kind. Im Speisezimmer steht eine kleine Stadt mit Häusern aus Lebkuchen und Schneehügeln aus Zuckerguss, mit Popcornbäumen und Schokotalerdächern und kleinen Figuren aus Marzipan. Seine Tochter Francis, die Innenarchitektin von Beruf ist, habe die Entwürfe am Computer gemacht und dann zusammen mit seiner Frau Sue und den Köchen umgesetzt, erzählt Timken. Richtig stolz ist er auch auf den größten von drei Weihnachtsbäumen, den er selbst leuchtend bunt geschmückt hat, und der wie eingerahmt aussieht von dem Rundbogen, den kunstvoll die Tochter mit Tannenzweigen und Kugeln gestaltet hat.

In der Bibliothek deutet er beiläufig auf ein Foto: „Das ist mein Enkel Brandon.“ Der 12-Jährige schüttelt gerade George W. Bush die Hand. Der Präsident ist auf vielen Fotos in dem Regal zu sehen, beim Hummeressen mit Sue Timken zum Beispiel, kaum zu erkennen, weil er völlig entspannt lacht und mit glänzenden Wangen verblüffend freundlicher aussieht als auf offiziellen Fotos. Die Timkens sind gut befreundet mit der Familie Bush. Seit 40 Jahren unterstützt der erfolgreiche Unternehmer die Republikaner als Fundraiser. Zunächst sammelte er für Bush senior Gelder, bevor ihn der jüngere gewissermaßen vom Vater geerbt hat.

Kann ein schwieriger diplomatischer Fulltime-Job wirklich eine Belohnung sein für jemanden, der es kein bisschen nötig hat, Geld zu verdienen? Für Timken ist diese neue Aufgabe offensichtlich eine Herausforderung, die er mehr genießen kann als Erholungsreisen. Seit seiner Ankunft Mitte August ist er allgegenwärtig, hält Reden, besucht Schulen und Empfänge und zum Thanksgiving-Tag sogar eine Suppenküche, in der er den Obdachlosen eigenhändig Truthahn servierte. „Das war Sues Idee“, sagt er und deutet auf seine Frau. Offensichtlich war es eine gute Idee, denn die beiden schwärmen von höchst überraschenden Erfahrungen, die sie gemacht haben, von „den tadellosen Manieren“ der Obdachlosen und „dem perfekten Englisch“, das einige von ihnen sprachen.

„Wir lieben Menschen“, sagen die beiden mehrfach. Sie sind jeweils in zweiter Ehe verheiratet und sitzen nebeneinander auf dem Sofa am knisternden Kaminfeuer. In ihrer Berliner Zeit wollen sie so viele Menschen wie möglich kennen lernen, und zwar „aus allen Bereichen des Lebens“. Während des Gesprächs halten sie die meiste Zeit Händchen. „Wir sind echte Partner, machen fast alles zusammen“, fügt der im Vergleich zu manchen seiner Vorgänger überraschend kontaktfreudig wirkende Botschafter hinzu. In Berlin soll das genauso sein wie in Canton, Ohio, am Muttersitz des Unternehmens mit 26 000 Angestellten in 27 Ländern weltweit und einem Umsatz von 4,5 Milliarden Dollar allein im letzten Jahr. Die Timken Company wird nach einem ehernen Grundprinzip teamorientiert geführt: „Alle Menschen sind gleich. Im Unternehmen bin ich nicht mehr als der Maschinenführer oder die Frau aus der PR-Abteilung“, sagt Timken, dessen idealistische Art zu reden typisch ist für das konservative Herzland der USA. Er hat das vor 106 Jahren gegründete, ursprünglich auf Kugellager spezialisierte Familienunternehmen groß gemacht und fit fürs Geschäft in Zeiten der Globalisierung. Und er hatte überhaupt kein Problem damit, mit 66 Jahren als Unternehmer plötzlich Botschafter zu werden: „Über die Jahre hatte ich zu wenig Gelegenheit, meinem Land wirklich zu dienen“, sagt er. „Wir wollen etwas zurückgeben für das wundervolle Leben, das wir dort leben konnten.“ Und dass er dankbar sei, die Gelegenheit dafür zu bekommen. Das klingt aufrichtig, wenngleich für europäische Ohren recht pathetisch. Natürlich muss er sich keine Sorgen machen um die nächste Karrierestufe. Aus seiner Sicht ist gerade das ein großer Vorteil. „Ich habe mehr Freiheit“, sagt er. Und dass er eben nicht die gleichen Lasten herumschleppe, wie Leute, die im Auswärtigen Dienst groß geworden sind. „Die sind manchmal vielleicht zu vorsichtig.“ Er will das repräsentieren, was er für das wahre Amerika hält, und an seiner Gewohnheit festhalten, sich klar und deutlich auszudrücken. „Diplomatie handelt doch vor allem von Kommunikation“. Umgekehrt sei vieles, was man als Chef eines globalen Unternehmens tue, diplomatischer Natur. „Ich habe wahrscheinlich mehr Bürgermeister, Präsidenten und Könige besucht, als die meisten Berufsdiplomaten“, vermutet er. Sein Ziel ist klar umrissen: Er will für seinen Präsidenten einen wirklich guten Job machen.

Dass ihm die US-kritische Haltung vieler Europäer nicht entgangen ist, sagt er von sich aus. Noch ein Grund mehr, Überzeugungsarbeit zu leisten. Für ihn ist George W. Bush jemand, der ehrlich ist, offen und freundlich, der die Menschen respektiert: „A fine man.“ Nach seiner tiefen Überzeugung ist eine gute Regierung die Grundlage einer erfolgreichen Demokratie. Jeder Bürger sollte deshalb Kandidaten unterstützen, die er für gut hält. „Politik ist viel zu wichtig, um sie nur den Politikern zu überlassen.“

Er will mithelfen, dass Deutschland und die USA enger zusammenarbeiten, um nicht nur die heutigen Probleme in den Griff zu kriegen, sondern auch die, die in zehn Jahren entstehen, damit noch die Enkel davon profitieren. 1838 startete sein eigener Urgroßvater von Bremerhaven aus in die neue Welt.

Timkens positive Sichtweise scheint unerschütterlich. Als Unternehmer ist er überzeugt, dass „Deutschland in einem weitaus besseren Zustand ist, als die Deutschen es sich selber zugestehen“. Das Land habe angefangen, die notwendigen Veränderungen auf den Weg zu bringen: „In zehn Jahren wird Deutschland stärker und besser sein.“ Der Grund für Veränderungen, auch wenn sie Opfer kosten, sei es ja gerade, eine bestmögliche Zukunft zu haben. „Ich bin Optimist.“

Weihnachten wollen die Timkens die sechs Kinder und sieben Enkel sehen. Dann gibt es Truthahn und Cranberries. Und Erbsen, denn die mag der Botschafter besonders gern. Stimmt es, dass er seiner Frau beim Kleideraussuchen hilft? „Er hat 99 Prozent meiner Sachen ausgesucht“, sagt Sue Timken lächelnd. „Es macht eben Spaß, eine schöne Frau anzuziehen“, fügt er schulterzuckend hinzu. Weil es hier so umständlich ist, mit den Security-Leuten in eine Boutique zu gehen, legen sie im Moment lieber Shopping-Stopovers in New York ein.

Ein Erlebnis hat ihn seit seinem Amtsantritt besonders beeindruckt: Die Einweihung der Frauenkirche in Dresden. Dort war er auch 1965 schon mal bei einer seiner vielen Reisen, konnte sich erinnern, wie desolat alles aussah. Jetzt bei den Feierlichkeiten dabei zu sein, hat ihm eine Gänsehaut verursacht: „Sowas lässt mich glauben, dass Menschen schreckliche Sachen überwinden können und zu großartigen Leistungen in der Lage sind.“

Heute wird er 67 Jahre alt. Offenheit und Neugier bleiben für ihn erstrebenswerte Tugenden. Und was wünscht er sich? Er sagt, dass er in seiner Zeit als Botschafter, „so viel wie möglich lernen will“.

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