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Berlin: Im Fadenkreuz der Terroristen

Das Jüdische Museum oder das Jüdische Gemeindehaus in Berlin sollte Ziel eines Anschlags sein – das gestand ein früherer Al-Qaida-Mann

Ein Anschlag auf das Jüdische Museum oder das Jüdische Gemeindehaus ist ein Szenario des Schreckens. Deshalb war die Polizei nach dem Düsseldorfer Geständnis eines Al-Qaida-Terroristen gestern noch wachsamer beim Schutz jüdischer Gebäude in Berlin. Um Nachahmern keine Chance zu geben. Doch die Häuser werden ohnehin dauerhaft geschützt: „Für eine Heraufsetzung der Schutzmaßnahmen an jüdischen Einrichtungen gibt es im Zusammenhang mit dem Terroristen-Prozess derzeit keine Veranlassung“, sagte Polizeipräsident Dieter Glietsch.

Im Garten des Jüdischen Museums scheint sich die Nachricht von dem 2002 geplanten Anschlag noch nicht herumgesprochen zu haben: Besucher schlendern durch den Garten. Nur dem Polizisten muss man hier nicht viel erklären, denn das Geständnis des mutmaßlichen Terroristen hat unter den Kollegen längst die Runde gemacht. „Wir haben doch unsere Funkgeräte“, sagt der Uniformierte. Die Geräte haben es verbreitet: Dass der in Düsseldorf angeklagte Leibwächter von Al-Qaida-Chef Osama bin Laden Anschläge auf Berlin und Düsseldorf plante – so gestand er es am Freitag im Prozess in Düsseldorf. Als Ziele seien Anfang 2000 eine von Juden betriebene Diskothek in der Düsseldorfer Altstadt und das Berliner Jüdische Museum ausgespäht worden. Die Taten sollten mit Handgranaten oder einer Autobombe begangen werden. Allerdings ist bislang nicht sicher, ob der geplante Anschlag tatsächlich dem Museum gelten sollte. Die Beschreibung von Shadi Mustafa passt eher auf das Jüdische Gemeindehaus in der Fasanenstraße mit den schweren Gittern vor der Tür.

Ob vorm Gemeindehaus oder im Jüdischen Museum: Heute zeigen sich in Sachen Sicherheit alle besonders aufmerksam. An den Monitoren der Videokameras, die am Gemeindehaus und Museum jeden Quadratzentimeter direkt ins Landeskriminalamt übertragen. Und auch im Hubschrauber, der noch etwas öfter als sonst über dem Museumsdach kreist. Weil niemand weiß, ob das Geständnis potenzielle Attentäter auf Ideen bringen könnte. „Deshalb dehnt der Hubschrauber heute seine Schleifen überm Kanzleramt aus“, sagt der Beamte. Sicherheitshalber. Im Jüdischen Museum wussten die Mitarbeiter bis zum Vormittag nichts von dem geplanten Anschlag, die Sprecherin aber reagiert gelassen. „Es war uns immer bewusst, dass wir aufgrund des hohen Symbolwertes ein erhöhtes Sicherheitsrisiko haben“, sagt Eva Södermann. Deshalb überlässt man hier nichts dem Zufall: Sicherheitsleute vor der Tür, dahinter müssen die Besucher eine Schleuse passieren, Panzerglas.

Im Jüdischen Museum zählen sie die Drohbriefe nicht mehr, denn sie treffen täglich ein. Seit der Eröffnung 2000 habe es aber „keinen wirklich bedrohlichen Vorfall“ gegeben, sagt Södermann. Aber zwei Zwischenfälle: Ein Mal mit einem Mann, der mit einer Pistole im Sicherheitsbereich festgenommen wurde. „Der hatte keinen Anschlag im Sinn, nur die Waffe dabei.“ Das andere Mal gab es Alarm wegen eines Päckchens, auch da stellte sich heraus, dass der Inhalt harmlos war. Rund 70 jüdischen Einrichtungen werden von der Polizei geschützt. „Die Sicherheitsvorkehrungen werden in einer täglichen Bewertung der internationalen Lage angepasst“, sagt der Polizeipräsident. Eine Statistik führt man nicht, aber immer wieder kommt es zu Angriffen auf jüdische Einrichtungen. So warfen Unbekannte im April 2002 einen Molotow-Cocktail in die Synagoge am Fraenkelufer. Im März 2002 verübten vermutlich Rechtsextremisten einen Sprengstoffanschlag auf den Jüdischen Friedhof am Charlottenburger Scholzplatz. Auch auf das Grab von Heinz Galinski auf dem Friedhof Heerstraße hatte es vor fast fünf Jahren einen Anschlag gegeben.

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