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Berlin: „Im Fahrstuhl hörte ich schon die Schüsse“

Die Kienitzer Straße in Neukölln, in der gestern ein Polizist erschossen wurde, ist ein sozialer Brennpunkt. Wie Anwohner den Vorfall erlebten

Vor dem rot-weißen Absperrband an der Ecke Kienitzer- und Kopfstraße in Neukölln herrscht Aufruhr. Rund 50 Männer, Frauen und Kinder – fast alle arabischer oder türkischer Herkunft – drängeln sich am frühen Mittwochabend vor den gelben Hochhäusern. „Wir wollen in unsere Wohnungen, Mann. Lasst uns endlich rein“, rufen einige der jungen Männer; andere schimpfen über die Polizei. „Das geht nicht. Hier ist ein Tatort“, bekommen sie als Antwort von den Beamten zu hören.

„Es gab ’ne Schießerei mit einer arabischen Familie“, diktieren die vielen Kinder den zahlreichen Journalisten ins Mikrofon. Einige Männer schauen die Kinder daraufhin böse an. „Sagt nichts mehr“, herrscht sie ein Mittzwanziger in Trainingshosen an.

Bianca F. ist 15 Jahre alt und wohnt mit ihren Eltern im 6. Stock in der Kienitzer Straße 33. In dieses Haus ist gestern um 16.35 Uhr das Spezialeinsatzkommando (SEK) in die Wohnungen der libanesischen Familie Ali-K. im Erdgeschoss und im ersten Stock gestürmt. Dabei wurde ein Beamter getötet.

Bianca F. hat den Einsatz mitbekommen. „Ich hatte ganz viele Polizeiwagen draußen gesehen, da bin ich in den Fahrstuhl gestiegen und runter gefahren“, schildert Bianca F. „Während der Fahrstuhl abwärts fuhr, hörte ich Schüsse.“ Als sie im Erdgeschoss angekommen war, „stand ich plötzlich vor der offenen Wohnungstür der Familie Ali-K. Die SEK-Männer hielten vier Libanesen am Boden fest. Daneben lag einer der Polizisten auf der Erde. Sein Kopf war voller Blut, ein anderer Polizist hatte ein bandagiertes Bein.“ Sie sei dann zu einer Freundin ins Nachbarhaus gerannt. „Von dort haben wir noch gesehen, wie die vier Männer verhaftet und in die Polizeiwagen gebracht worden sind.“ Die Kienitzer Straße gehört zum Neuköllner Rollberg-Kiez – die in den siebziger Jahren gebaute Hochhaussiedlung gehört der Wohnungsbaugesellschaft „Stadt und Land“. Die Gegend gilt bei der Polizei seit langem als „sozialer Brennpunkt“.

In den vergangenen Jahren war immer wieder von einer drohenden „Verslumung“ die Rede, im Polizeibericht taucht die Straße als Tatort regelmäßig auf. Der Ausländeranteil – vorwiegend Türken und Araber – ist extrem hoch. Vor drei Jahren beschloss die Wohnungsbaugesellschaft, weiteren Ausländern den Einzug zu verwehren: 90 der 2200 Wohnungen standen leer, weil sich keine Deutschen mehr auf die Wohnungen beworben hatten. Der Geschäftsführer begründete diese Praxis mit den „unterschiedlichen Lebensweisen bei Deutschen und Einwanderern“. Wenn Deutsche immer mehr ausländische Namen auf den Klingelschildern sähen, werde dieses als Störung empfunden.

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