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Berlin: Im Fanblock

Es war fast wie beim WM-Finale: Die Genossen trieben ihren Kanzler an, die Junge Union rechnete Stoiber hoch. Beide setzten auf Sieg

Ein bisschen ist es wie Fußball-WM, so ein Fernseh-Duell. Endspiel: Deutschland gegen Brasilien, erste Halbzeit. Nur wer ist Brasilien? Corinna Schoepke, Architektin und natürlich SPD-Mitglied, war am entscheidenden Tag der Fernseher kaputt gegangen. Also musste sie in die SPD-Parteizentrale in der Stresemann-Straße kommen, um das Endspiel Schröder gegen Stoiber nicht zu verpassen. Sechs große Fernsehschirme sind im Kreis aufgestellt. Am Eingang steht noch eine Großleinwand.

Der Kanzler wird wohl etwas Lampenfieber haben, sagt Frau Schoepke. Das müsse auch einem Kanzler gestattet sein. Wie das Duell auch ausgeht, „Kanzler wird er sowieso.“ Wolfgang Thierse hatte zur Begrüßung allen gewünscht, es möge ein gelassener Abend werden.

Dann geht es los. Im dreieckigen Foyer des Willy-Brandt-Hauses haben sich die Anhänger mit Weiß- und Rotwein eingedeckt. Das stärkt die Sinne. Stoiber und Schröder werden kurz vorgestellt. Alter, Familienstand... „Schröder, viermal verheiratet, Stoiber einmal.“ „Schon schlecht“, sagt eine Frau so nonchalant beim Brilleputzen. Schröder hat gepunktet, ohne ein Wort gesagt zu haben.

Anstoß. Der Ball geht an Schröder. Die erste Frage versetzt den Saal in eine gebannte Stille. Wird der Kanzler schnell in sein Spiel finden? Corinna Schoepke hatte die Einspielzeit auf eine Viertelstunde taxiert. Aufgeregt sind erstmal die Moderatoren. Schröder wirkt verschlossen und fast ein wenig verbissen. Er endet mit: „Ich bin zuversichtlich, dass die Wähler entscheiden werden. Die sollen weitermachen.“ Aus der Menge kommt ein zaghafter weiblicher Jubler: „Genau.“ Vorsichtiges Klatschen. Die Genossen erwarten mehr von ihrem Kanzler.

Dann kickt sich Stoiber ins Geschehen. „Herr Schröder ist Kanzlerkandidat der SPD.“ Zum ersten Mal kommt Gelächter auf, im Sinne von: Der Mann hat doch Recht. Stoibers Ballführung wird konzentriert verfolgt, jeder Fehler sofort mit Kommentaren geahndet. Aber er macht nicht die Fehler, die man von ihm erwartet. Nicht Stoiber, sondern Schröder verhaspelt sich. Das Versprecher-Problem hatte der Kanzler doch eigentlich schon überwunden. Die Genossen werden nachdenklich.

Dann kommt das Reizwort „Umweltschutz“ und Stoiber tappt in die Falle. Bei ihm genieße die Umwelt eine hohe Priorität, und Merkel sei ja für fast alles zuständig und eben auch für den Umweltschutz. Ein klares Eigentor, das die Schröder-Anhänger in helle Freude versetzt. Doch der Unionskandidat steckt nicht auf. Beim Thema Arbeitslosigkeit bringt er den Kanzler in Bedrängnis. Steuererhöhungen würden doch die Konjunktur abwürgen, und Corinna Schoepke muss eingestehen, da habe er „nicht Unrecht“.

Nach einer halben Stunde steht es unentschieden. Doch der Kanzler hat sich warmgespielt und gibt den Gönner. Nein, an Bayern liege es nicht, dass soviele Firmen pleite gingen und die Arbeitslosigkeit so hoch sei. Das Thema Flutkatastrophe lässt bei beiden Kandidaten den rhetorischen Pegel ansteigen. „Schön“, lobt Genossin Schoepke ihren Kanzler. Doch nach der halben Spielzeit will sie sich noch keine Einschätzung des Spielverlaufs erlauben.

Anders Peter Strieder. Der Berliner SPD-Chef verfolgt das Duell am Rande der Menge. „Maskenhaft“, sei Stoiber geblieben. Viel Kreide habe er gefressen. Schröder sei so gut wie immer. Thomas Loy

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