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Berlin: Im Jugendstil nach Woodstock

Szene-Zeichner Seyfried hat Grünen-Star Ströbele im Retro-Stil verewigt

Ginge es nach Christian Ströbele und Gerhard Seyfried, wäre die Welt ein besserer Ort. Atomkraft, Nazis und Krieg wären tabu; stattdessen beglückten Biomilch, freies Hanf und gesunde Natur die Erdenbürger. Die strahlten dann so glücklich wie die Menschen auf dem Wahlplakat, das der Zeichner Seyfried dem grünen Bundestagsabgeordneten Ströbele auf den Leib gezeichnet hat. Heute wollen die beiden linksalternativen Veteranen das Werk offiziell vorstellen, bald schon soll es tausendfach in der Stadt hängen.

Seyfrieds nunmehr dritte Arbeit für Ströbele ist ein Spagat zwischen zeitlos grünen Themen und nostalgischer Ästhetik. Der Slogan „Erststimme Ströbele“ ist JugendstilSchildern des frühen 20. Jahrhunderts nachempfunden, die bunten Farben vermitteln eher den Geist der Woodstock-Ära, einer Zeit, in deren Nachhall der heute vor allem als Romanautor tätige Seyfried mit Comics wie „Freakadellen und Bulletten“ zum Szene-Star avancierte. Von rückwärts gewandtem Plakat-Design will Christian Ströbele allerdings gar nichts hören. „Retro? Überhaupt nicht. Da stehen so viele aktuelle Themen drauf“, sagt der Grünen-Direktkandidat in Friedrichshain-Kreuzberg.

Die zentrale Botschaft – Ströbele als unbeugsamer Verfechter rotgrüner Ideale – vermittelt vor allem die Art, wie Seyfried den Politiker dargestellt hat: Als ernst blickenden Hoffnungsträger, der auf seinem legendären, weil mehrfach gestohlenen Fahrrad eine Flasche Biomilch durch die Gegend fährt. Dahinter versammelt sich allerhand multikulturelles Volk, unter das sich auf Wunsch Ströbeles auch ein alter Bekannter gemischt hat: Karl Marx. Der Hund, der nach dem Benetzen eines Merkel-Plakats frech grinst, war wiederum Seyfrieds Idee: Er ist einem Zwergschnauzer nachempfunden, mit dem der Zeichner einst die Wohnung teilte.

Für Suchbild-Fans hat Seyfried einige Rätsel und versehentlich auch ein paar Fehler eingebaut. Das Schild „Rettet Kabuzi Biega“, mit dem ein Gorilla auf der Oberbaumbrücke herumturnt, verweist auf ein von Ströbele unterstütztes Reservat in Kongo – das aber Kahuzi Biega heißt. Auch sind die Wegweiser nach Kreuzberg und Friedrichshain vertauscht. Und der durch Ströbele zum Kult avancierte Slogan „Gebt das Hanf frei“ müsste korrekt „Gebt den Hanf frei“ heißen, wie Hanf-Fan Seyfried einräumt.

Vorgaben hat Ströbele dem Künstler nicht gemacht. Es sei nun mal ein „Wahlkampf-Werbeplakat“, das mit Inhalten gefüllt werden müsse. Zum Beispiel das Fahrrad: „Mein Reitpferd durch den Wahlkampf“, sagt Ströbele. Außerdem verberge sich dahinter auch eine „verkehrspolitische Message“. Wer genau hinschaut, erkenne auch seine Wahlkampfthemen: Frieden, Verkehr, soziale Gerechtigkeit. Nur die innere Sicherheit fehle. „Man kann eben nicht alles reinbringen.“ Ihm gefalle das Plakat auch so sehr gut. sib/lvt

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