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Karola Wunderlich, 69, war mal Krankenschwester - und nimmt sich viel Zeit für Patienten.

© Kitty Kleist-Heinrich

Im Krankenhaus nicht allein sein: Die Besuchshelfer am Klinikbett

Karola Wunderlich ist Ehrenamtliche im Besuchsdienst. Sie steht Patienten bei Klinikaufenthalten bei. Auch Krankenschwestern und Ärzte profitieren davon. Der Ausbildungskursus umfasst 64 Stunden - und startet bald wieder.

Sanft klopft Karola Wunderlich an die grünbraune Tür, dann drückt sie die Klinke herunter. „Ich habe gehört, dass hier eine nette Frau liegt, die sich gerne unterhält“, sagt die 69-Jährige zu der Patientin. „Ach wirklich?“, fragt die Frau. „Na dann setzen Sie sich mal.“

Wunderlich nimmt auf einem Stuhl neben dem Bett Platz, um ihren Hals baumelt ein Namensschild. Dann stellt sie sich vor: Sie besucht ehrenamtlich Patienten im St.-Joseph-Krankenhaus in Tempelhof. Zweimal die Woche kommt sie auf Station 21 und klopft Zimmer ab, hier liegen Patienten mit inneren Verletzungen. „25 Jahre lang habe ich in diesem Krankenhaus gearbeitet. Als ich vor fast fünf Jahren in Rente ging, wollte ich im Besuchsdienst weiterhin herkommen“, erzählt Wunderlich. Sie hat beim Katholischen Deutschen Frauenbund Diözesanverband Berlin e.V. eine Ausbildung zum ehrenamtlichen Krankenbesuchsdienst gemacht. Seit über 25 Jahren bietet der Verein jedes Jahr zwei Kurse an, die 64 Stunden umfassen. Mittlerweile hat er 300 Menschen ein Zertifikat für Besuchsdienste ausgestellt.

Bei den Kursen lernen die künftigen Ehrenamtlichen, mit kranken Menschen umzugehen – wer länger einen Menschen betreuen möchte, kann das auch in Pflegeeinrichtungen. In der Ausbildung werden rechtliche Fragen und Suchtkrankheiten behandelt, Gesprächsführung trainiert. „Ich habe Eigenschaften an mir erkannt, die mit vorher gar nicht bewusst waren“, sagt Wunderlich. Da es keine übergeordnete Organisation für die Krankenbesuchsdienste gibt, rät Simone Ehm von der Evangelischen Akademie Interessierten, sich „am besten an das Wunschkrankenhaus in der Nähe zu wenden und sich dort weitervermitteln zu lassen“. Häufig würden sich die jeweiligen Seelsorger um die Besuchsdienste kümmern. Frau Wunderlich sagt heute, sie erkenne am ersten Blick, wie der Patient drauf ist, ob er reden möchte oder nicht, was mögliche Gesprächsthemen sind. Sie achtet auf Blumen, Bücher, Zeitschriften im Krankenzimmer. „Und mit etwas korpulenten Menschen tausche ich Kochrezepte aus“, scherzt sie. Sie nimmt sich für die Gespräche die Zeit, die sie braucht. „Der Patient bestimmt das Thema.“ Nur um zwei Bereiche macht die Rentnerin einen Bogen: „Politik und Religion sind mir zu heikel.“

Manche Patienten sprechen über ihre Krankheit, Ängste und die Familie. „Mir gegenüber können sie viel offener sein als zu Mann, Frau oder Kindern.“ Oder sie haben in der Single-Hauptstadt Berlin gar keinen zum Reden. Einige der Patienten wird sie nie vergessen. „Ich habe mal eine 96-jährige schwer kranke Dame besucht. Wenn ich mich von ihr verabschiedet habe, hat sie immer gesagt: ‚Komm’, ich bring Sie noch zur Tür. Schließlich mache ich das zu Hause auch so.'“

Mit anderen ehemaligen Patienten hat Wunderlich noch immer Kontakt. So wie mit Horst George, 76, aus Neukölln. Vor vier Jahren lag er drei Wochen lang im St.-Joseph-Krankenhaus. An den Tag, an dem Wunderlich an seine Tür klopfte, erinnert er sich immer noch. „Ich war im Halbschlaf, da öffnete sich die Tür und Frau Wunderlich kam in einem hellen Kleid rein.“ Beide haben sich über Kinder, Enkelkinder, Natur und Reisen unterhalten. „Ich habe ihre Besuche sehr genossen“, sagt George. „Sie hat mir über den Krankenhausaufenthalt hinweggeholfen.“ Noch heute ist er dankbar, er hält den Kontakt. „Wir telefonieren mal oder gehen Kaffee trinken“, sagt George.

Auch die Krankenschwestern und Ärzte profitieren von den ehrenamtlichen Besuchern. Die Mitarbeiter der Station 21 sind Wunderlich für ihren Einsatz dankbar. „Wir gucken natürlich nach den Patienten, haben aber leider nicht so viel Zeit zum Erzählen und Zuhören wie Frau Wunderlich“, sagt Schwester Simone. „Die Patienten sind ruhig und zufrieden, wenn sie da war.“ Dass sie anderen Menschen guttut, das weiß Wunderlich. „Manche sagen mir: ‚Sie haben mir Kraft gegeben’. Da bekomme ich jetzt noch Gänsehaut.“ Gleichzeitig ist das Ehrenamt gut für sie selbst: „Es ist spannend zu sehen, wie unterschiedlich Menschen sein können“, sagt die 69-Jährige. Gerade von älteren Personen lernt sie einiges. „Diese Menschen haben Krieg, Flucht und Hunger erlebt.“ Und noch etwas Gutes hat das Ehrenamt für Wunderlich: „Ich vergesse meine Wehwehchen. Der Besuchsdienst ist für mich wie eine Therapie.“

Der nächste Vorbereitungskurs des Katholischen Deutschen Frauenbundes Diözesanverband Berlin e.V. beginnt am 3.3. im Haus Helene Weber in der Wundtstr. 40-44, 14057 Charlottenburg. Kosten: 65 Euro. Infos: Tel. 321 50 21, www.kdfb-berlin.de.

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