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Berlin: "Im Lustgarten mit Heinz Knobloch": Vom "Garten der Esslust" zur gemütlichen Liegewiese

Berlin hat 4249 öffentliche Grünanlagen, eine davon ist der Lustgarten. Diese ungewöhnlich hohe, exakte Zahl der großen und kleinen "grünen Lungen" verdanken wir einem Mann, der es wissen muss, weil er beruflich damit zu tun hat, und auf den wirklich Verlass ist - Hendrik Gottfriedsen, Chef der Grün Berlin GmbH.

Berlin hat 4249 öffentliche Grünanlagen, eine davon ist der Lustgarten. Diese ungewöhnlich hohe, exakte Zahl der großen und kleinen "grünen Lungen" verdanken wir einem Mann, der es wissen muss, weil er beruflich damit zu tun hat, und auf den wirklich Verlass ist - Hendrik Gottfriedsen, Chef der Grün Berlin GmbH. Die ist immer da zu finden, wo städtischerseits gegraben, gesät, gepflanzt, neu- oder umgestaltet wird, Landschaftsgärtnerei nennt sich das wohl. Die grünen Berlin-Gestalter waren dafür zuständig, zwischen 1997 und 1999 - nach einigen architektonischen Umwegen mit Irrungen und Wirrungen - dem Lustgarten jenes Gesicht zu geben, mit dem dieser Ort seinem Namen endlich wieder alle Ehre macht. "Die Berliner und ihre Gäste haben in spielerischer Freiheit ihren Garten in Besitz genommen. Sie liegen auf den Rasenflächen, planschen im Brunnen oder träumen auf den eigens für diesen Lustgarten entwickelten Bänken", freut sich der Grün-Geschäftsführer, und weil viele Leute seine Freude teilen und überhaupt etwas mehr zu diesem lustvollen Garten erfahren sollten, kam der Jaron Verlag auf die hübsche Idee, den preußischen Garten im Herzen Berlins aus verschiedenen Perspektiven beschreiben zu lassen.

Gottfriedsen als Herausgeber gräbt sich zunächst tief in die Geschichte und beginnt beim Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, unter dessen Ägide seit der Mitte des 17. Jahrhunderts die Existenz "geschmückter Blumenbeete, Springbrunnen und Statuen" in der Nähe des heutigen Alten Museums belegt sind. Der Platz am Schloss gibt zwölf kurzweilige, mit schönen Fotos und Zeichnungen garnierte Kapitel her. Stets war dieses Areal etwas Besonderes; 1830, während der Umgestaltung nach Schinkels Plänen, warnte ein Schild zwischen Altem Museum und Dom: "Jede Beschädigung der Anpflanzungen im Lustgarten wird mit Zwei Thalern Geld oder verhältnismäßiger Leibes-Strafe geahndet werden." Da standen dem Lustgarten noch mancherlei Änderungen bevor: Erst kommt das "Biedermeierweltwunder", jene Granitschale, die Schinkel für die Rotunde im Alten Museum vorgesehen hatte, die aber wegen Größe und Gewicht nicht hineinkommen konnte. (Carl Cantian hatte in den Rauhenschen Bergen die Schale aus einem Stein geschlagen und sie am 6. November 1828 per Schiff nach Berlin transportiert, Aufstellung und Politur dauerten bis 1835!) 1832 sprudelt die Fontäne eines Spingbrunnens acht Meter hoch, 1871 wird ein über zwölf Meter hohes Reiterdenkmal für Friedrich Wilhelm III. enthüllt und der Vorgarten des Doms erneut verändert - so setzt sich das fort, bis die Nazis mit ihrer Pflasterung dem Platz die Lust gänzlich genommen haben.

Jetzt aber kommt der andere, der lokal-literarische Teil des Bild-Text-Bandes: Heinz Knobloch, dem Gottfriedsen am liebsten ein Denkmal aufstellen würde, hat sich mit diesem Buch zu seinem 75. Geburtstag gewissermaßen selbst beschenkt. Stefan Heym bekennt im Vorwort: "Bei ihm fühlt man sich sicher: So wie er den Mann und die Frau beschreibt und die Verwicklungen, in die sie geraten, hat es sich abgespielt, das Traurige und das Komische, das Großartige wie das Nebensächliche; alles ist nachprüfbar; und die Steine und Inschriften, die er uns vorstellt, stehen wirklich da und wir können hingehen und sie betrachten.".

Nun ist der Lustgarten die Kulisse von 18 Knobloch-Texten, deren Überschriften bis auf eine mit "Mit..." anfangen, also "Mit Kartoffeln", "Mit Amazone", "Mit Vorbehalt" und "Mit Gartenlust", zum Beispiel. Knobloch flaniert oder steht einfach da, guckt auf den Lustgarten (und drumherum) - und schon purzeln die Gedanken, und Assoziationen werden zu Geschichten. "Lustgarten?", fragt der Meister des lokalen Feuilletons, und antwortet eingangs knapp mit wenigen Begriffen: "Das sind Napoleon, Preußenkönige und Thälmann. An Herbert Baum, der 1942 mit ein paar Beherzten die antisowjetische Ausstellung anzündete, erinnert an der Straße ein Stein mit etwas schwierig zu entziffernder Schrift" (auf die mittlerweile Glasplatten mit noch schwieriger lesbaren Sätzen zur Geschichte des Steins montiert wurden).

Knobloch behandelt Kartoffeln, weil im Lustgarten neben Petersilie die ersten Erdäpfel Berlins blühten: "Der Lustgarten ist einmal der Garten der Esslust gewesen." Der Dichter nimmt uns mit auf die Vorreiterin am Alten Museum, die reitende Amazone von August Kiß, deren Entstehungsgeschichte selbst ein Buch füllen würde, er lästert über die Deutung der Figuren auf der Schlossbrücke und beschreibt, großer Zeitsprung, die Hintergründe der Tat der Widerstandsgruppe Herbert Baum und deren Schicksal. Und er klärt uns auf, was die güldene Inschrift im Fries über der Säulenhalle des Alten Museums vom Lateinischen ins Deutsche übersetzt heisst. "FRIDERICUS GUILELMUS III STUDIO ANTIQUITATIS OMNIGENAE ET ARTIUM LIBERALIUM MUSEUM CONSTITUIT MDCCCXXVIII = "Friedrich Wilhelm III. hat dem Studium jeder Art Altertümer und der freien Künste diesen Ruheort gestiftet 1828". Mit Ruheort ist Museum gemeint. Damals lief - Heutige, hergehört! - die Sache, frei nach Knobloch, so: Das Kultusministerium äußerte, weil es nicht gefragt worden war, Bedenken. Es gab viele Besserwisser. So kam es zu einem Gedankenaustausch unter prominenten Geistern, man hörte Gutachten und Verbesserungsvorschläge. "Nachdem sich beinahe jeder für eine Änderung des Textes ausgesprochen hatte und eine neue Fassung empfohlen, kam die Sache zum Glück unter die Augen des Finanzministers. Den interessierte nicht, was da geschrieben stand, sondern was das Blattgold gekostet hatte. Und er nannte es zu teuer, um die Schrift wieder ändern zu lassen... Und wenn wir sie gebührenfrei betrachten dürfen und lesen, gedenken wir froh der kulturfördernden Rolle des Geldmangels."

Schließlich kramt Knobloch in seinen eigenen Erinnerungen an Lustgarten und Marx-Engels-Platz, und da kommt ihm eine Kundgebung zum zehnten Jahrestag der Befreiung Berlins in den Sinn, 1955. Er steht vor der Tribüne (wo früher das Schloss gestanden hatte), Marschall Schukow spricht. "Er sagte etwas, das sein Dolmetscher in folgende Worte brachte: Die Deutsche Demokratische Republik hat unter den anderen Nationen wieder einen recht mäßigen Platz eingenommen. Wir jauchzten über diese Formulierung ..."

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