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Berlin: Im Namen ihrer „heiligen Familie“: Mutter zückte Messer 62-Jährige verletzte ihre Tochter und deren Geliebten.

Jetzt muss sie sich wegen Mordversuchs verantworten

Den Ehebruch ihrer Tochter konnte Nicmi G. nicht verwinden. „Sie hat alles kaputt gemacht“, sagte die Mutter vor dem Berliner Landgericht. Von ihrer „heiligen“ Familie sprach die 62-Jährige, von der Bibel und den zehn Geboten, von der Sturheit der Tochter, die nicht zu ihrem Ehemann zurückkehren wollte. „Aber töten wollte ich sie nicht“, beteuerte die Mutter. Nicmi G. hat vor fünf Monaten ihre Tochter und deren Geliebten lebensgefährlich verletzt. Seit Dienstag sitzt sie wegen zweifachen Mordversuchs auf der Anklagebank des Landgerichts.

Die Mutter ist vor vielen Jahren aus einem kleinen Dorf in der Türkei nach Berlin gekommen. Ihr Anwalt Rolf Bossi sagt, sie sei sehr gläubig. Syrisch-orthodox. Seit 47 Jahren ist die Mutter von sieben Kindern verheiratet. Ihr Mann trinke nicht und rauche nicht. „Niemand darf meine Familie schmutzig machen“, schluchzte die Angeklagte. „Wie kann man ohne Scheidung mit einem anderen Menschen gehen?“

Angeblich wollte sie mit ihrer Tochter „ganz friedlich“ reden. Ein Sohn der 33-Jährigen öffnete der Oma die Tür, dann ging er. Die Großmutter saß allein in der Wohnung in Reinickendorf. „Ich hatte Süßigkeiten für die Kinder dabei“, sagte die Angeklagte. Sie habe Sehnsucht nach den insgesamt drei Kindern ihrer Tochter verspürt. Sie habe im Wohnzimmer gesessen und geweint. Schließlich hörte sie ein Schließgeräusch. In diesem Moment soll sich die Mutter in einer Abstellkammer im Flur versteckt haben. „Ich wollte meine Enkel überraschen“, sagte die Angeklagte. Aus Sicht des Staatsanwaltes ging es ihr um eine heimtückische Mordattacke.

Die Tochter und ihr Geliebter kamen lachend in die Wohnung. Die Kinder aber waren nicht dabei. „Ich war mächtig verärgert, brauste auf“, sagte die Angeklagte. Laut Anklage schlug sie mit einem Hammer zunächst auf den Mann ein. Der damals 23-jährige Italiener brach zusammen. „Der Hurensohn hat unsere Familie beschmutzt“, meinte die Angeklagte. „Meine Tochter wurde nur verletzt, weil sie ihn schützen wollte“, behauptete die Mutter. Die Tochter sagte nicht aus.

Im Ermittlungsverfahren soll die Angeklagte erklärt haben: „Ich bin Mutter, ich darf töten.“ Diese Äußerung wies sie nun von sich. Sie habe dem fremden Mann „nur Angst“ einjagen wollen. Ihr Anwalt legte sich für sie ins Zeug und mit dem Gericht an. Es sei nicht nachvollziehbar, „dass man eine solche Sache als versuchten Mord anklagt“, schimpfte Bossi. Er müsse erstmal klar machen, „wer ist hier Täter, wer ist Opfer“. Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt.

Kerstin Gehrke

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