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Berlin: Im Operationsgebiet

Noch dient die einstige Lungenklinik Heckeshorn als große Filmkulisse. Aber bald soll hier wieder echte Medizin betrieben werden.

Til Schweiger war gerade hier, um seinen neuesten Film vorzubereiten. Wenn es in einem Drehbuch um Arzt- und Krankenhausszenen geht, ist das Gelände an der Straße Zum Heckeshorn 33 für Filmteams eine der ersten Adressen. Das große Schild „Nord-Ost-Krankenhaus“ vor dem Hauptgebäude kündet noch von jüngsten Filmaufnahmen, bald wird hier vielleicht wieder eine „Tatort“-Szene gedreht, oder der „Landarzt“ kommt.

Doch es passiert selbst heute noch, dass echte Patienten im Foyer nach Ärzten fragen, dass sich Rettungswagen aufs einstige Gelände der Lungenklinik Heckeshorn in Wannsee verirren. Als habe sich die Adresse – unter hohen Kiefern in spürbar frischer Luft – ins Gedächtnis der Stadt eingebrannt.

Dabei ist die Klinik seit fünf Jahren geschlossen und mitsamt traditionsreichem Namen ins Helios-Klinikum Emil von Behring verzogen. Der landeseigene Liegenschaftsfonds Berlin, der sich bislang vergeblich bemühte, das große Grundstück zu verkaufen, ist jetzt wieder zuversichtlich. Zwei Investoren, so ist zu hören, hätten Konzepte für eine medizinische Nutzung des Areals vorgestellt. Deren Tragfähigkeit müsse nun geprüft werden. Der Steuerungsausschuss, in dem die Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung und Finanzen sowie der Bezirk vertreten sind, werde dann entscheiden, wie das Grundstück weiter vermarktet wird.

Nähere Angaben über die möglichen Investoren wollte Irina Dähne, die Sprecherin des Liegenschaftsfonds Berlin, bisher nicht machen. Man müsse das Gelände vor einem Verkauf wegen seines hohen Werts ohnehin international ausschreiben. Vor 65 Jahren wurde auf dem Grundstück der früheren „Reichsluftschutzschule“ die Lungenklinik gegründet. Künftig soll das einstige Krankenhaus-Areal wieder medizinischen Zwecken dienen.

Nach dem Auszug der Lungenklinik wollte der Liegenschaftsfonds das Gelände zunächst für Wohnungsbauprojekte vermarkten, etliche Investoren zeigten sich auch interessiert, wollten aber die medizinische Nutzung möglichst gering halten und stattdessen vor allem viele neue Wohnungen. Aber dafür hätte das Baurecht für das Gelände, jetzt noch auf Medizin ausgerichtet, geändert werden müssen – und damit war das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf nicht einverstanden. Mehr Verkehr, verursacht durch zusätzliche Wohnbauten, könne das Gebiet am Großen Wannsee nicht verkraften, sagt Bezirksbürgermeister Norbert Kopp (CDU) und verweist auf die neue Siedlung „Wannseegärten“ auf dem einstigen Don-Bosco-Gelände, das große Interesse am Haus der Wannsee-Konferenz und an der Liebermann-Villa. Auch die Wassersportvereine zögen viel Verkehr an.

Noch vor ein paar Jahren hatte der Liegenschaftsfonds den Eindruck, dass es für eine klinische Zukunft auf dem Areal keinen Bedarf gab. Jetzt aber habe sich die Marktlage geändert, sagt Irina Dähne.

Ginge es hingegen nach dem Unternehmen Flatliners, könnte alles so bleiben, wie es ist. Die Firma stellt in Heckeshorn medizinische Ausstattung für Filmaufnahmen bereit. Sie hat in Wannsee rund 40 000 Quadratmeter einstige Klinikfläche gemietet, in den Hauptgebäuden, die von der Lungenklinik leergeräumt wurden, modernste medizinische Apparate installiert, samt OP-Räumen, Intensivstationen, Schockräumen, Krankenabteilungen. Im Ernstfall ließe sich auch heute in den Klinikgebäuden – das jüngste entstand erst 1989 – tatsächlich operieren. Selbst die Kittel hängen bereit, Betten sind vorbereitet. Würde es nicht zu eng auf den Fluren und Stationen, könnten vier Filme gleichzeitig gedreht werden.

Aber die Flatliners sind nicht allein auf dem weiten, hügeligen Gelände, das, wenn gerade kein Filmtrubel herrscht, wie vergessen und aus der Zeit gefallen scheint. Rund um den einstigen Hochbunker aus den vierziger Jahren hat sich auch das Deutsche Rote Kreuz mit dem Blutspendedienst Ost angesiedelt, in weiteren denkmalgeschützten Dienstgebäuden wohnen Mieter. Es gibt einen idyllischen Wald-Kindergarten.

Wenig idyllisch aber wirken die zweistöckigen einstigen Schwesternwohnungen direkt neben der alten Klinikzufahrt an der Straße Zum Heckeshorn. Die Gebäude aus den sechziger Jahren sind zum Teil vermietet, bieten aber trotz der attraktiven Waldlage einen trostlosen Anblick. Eine Komplettsanierung wäre nötig. Die Häuser, sagt Irina Dähne vom Liegenschaftsfonds, könne man auch nicht einfach abreißen, sie gehörten planungsrechtlich zur medizinischen Nutzung. „Wir müssen abwarten, was weiter passiert.“

Noch aber wird gedreht. „Wir tun dem Gelände gut“, sagt Michael Rost, bei Flatliners zuständig für Motive und Requisiten. Die Filmleute haben das große Gelände stets im Blick, es ist bewacht, die Polizei fährt Streife. Wildschweine hatten sich allerdings schon mal zur Visite im Foyer eingefunden, mitunter sagen sich hier auch Füchse gute Nacht. Die Aufnahmen entstehen stets unter fachlicher Aufsicht, es gibt für die Schauspieler sogar ein Instrumententraining, kein echter Mediziner soll sich später beim Anblick einer Filmszene ärgern. Der Firmenchef selbst ist Arzt. So gesehen hat der Klinikbetrieb nie aufgehört.

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