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Berlin: Im Shaolin-Tempel dient Kung Fu der Kultivierung

Zu Hause meditiert er täglich drei Stunden lang, und heute eröffnet der Abt der Shaolin-Mönche in der Franklinstraße den größten Tempel außerhalb Chinas

Er trägt ein freundliches Lächeln im Gesicht, ein langes orangefarbenes Gewand, darüber eine lange Bernsteinkette. Der ehrwürdige Großmeister Shi Yong Xin ist der 30. Abt des Shaolin-Tempels seit dessen Gründung im Jahre 495. Am heutigen Donnerstag eröffnet er in der Franklinstraße das weltweit größte Shaolin-Kloster außerhalb Chinas.

Hierzulande ist Shaolin den meisten durch die Kung-Fu-Filme ein Begriff. Zwar sind die Kampfmönche des größten buddhistischen Klosters in China weltberühmt. Den Geist seiner Religion auf Kampfsport zu reduzieren hieße aber, die Sache viel zu eng zu fassen. „Das ist nur ein ganz kleiner Teil“, sagt Shi Yong Xin mit fester Stimme. Und eigentlich auch nicht auf Kampf ausgerichtet, sondern Mittel zur weiteren Kultivierung, zur Disziplinierung von Geist und Körper. Auch ein Weg zum Glück mithin, denn: „Wenn Geist und Körper gesund sind, dann bedeutet das für einen Menschen Glück“, sagt der Abt und lächelt.Kung Fu habe auch viel mit Glauben, mit Kunst und mit Medizin zu tun.

Geboren 1965 und aufgewachsen in einer sehr stark buddhistisch geprägten Familie, entschloss er sich im Alter von 16 Jahren, ins Kloster zu gehen. Schon als Kind fühlte er sich sehr stark hingezogen zum Buddhismus. Damals wirkte China noch viel kommunistischer, aber das hat, so wie er es sieht, dem Buddhismus nicht wirklich etwas anhaben können. „Unsere ganze Kultur ist sehr alt, die Lebensweise der Menschen stark geprägt vom Buddhismus“, sagt er. Und dass diese Prägung unabhängig davon sei, ob die Menschen die Religion bewusst praktizieren oder nicht. Die Mönche betrachten alles, was sie tun, jede Handlung, jede Bewegung als Teil eines Kultivierungsprozesses. Zum Tagesablauf im Kloster gehören neben dem Sport drei Stunden Meditation täglich. Aber der Abt lebt nicht unbedingt ein kontemplatives Leben.

Er veröffentlicht Bücher über buddhistische Philosophie, gründete eine Sozialstiftung sowie Institute für Kalligraphie und Kunst und wurde 1993 in der Provinz Henan als Repräsentant in das dortige Parlament, den Volksdeputiertenkongress, gewählt. Mit dem Ziel, die Shaolin-Kultur weiter zu verbreiten, begab er sich auf zahlreiche Auslandsreisen, gründete Tempel in England und den USA. „Ich schätze die Deutschen sehr. Wie die Chinesen sind sie fleißig und tüchtig“, sagt er in der Übersetzung eines Dolmetschers. „Durch den Dialog mit anderen Kulturen wird unsere eigene Kultur reicher“, glaubt er. Wer seine Kultur wirklich verstehen will, muss allerdings bei einem Meister lernen.

„Buddha steht nicht weit über uns“, sagt er. „Jeder kann so werden wie er oder sogar noch weiterkommen.“ Ob das gelingt, hänge von vielen Faktoren ab, auch davon, wie man sein vorangegangenes Leben gelebt habe. Wäre es nicht besser für die Erleuchtung, ein ganz abgeschiedenes Leben zu leben? Auch das kann man so nicht sagen. Wer danach strebt, braucht vor allem die größte innerliche Gelassenheit. Man muss es wollen und sich gleichzeitg von dem Wollen völlig lösen.

Für China sieht er eine neue Blütezeit des Buddhismus voraus. Die derzeitige dynamische wirtschaftliche Entwicklung verursacht auch eine wachsende Attraktivität geistiger Werte. Wie es derzeit um den Kommunismus bestellt ist, dazu mag er sich nicht äußern. Nur so viel: „Der Trend zu mehr Demokratie und Freiheit ist weltweit und unvermeidlich. Früher reichte es, wenn man eine Sprache sprach und eine Kultur kannte. Heute muss man mehr können.“ Wie viele Shaolin-Anhänger es weltweit gibt, weiß er gar nicht: „Wir führen keine Statistik. Ein paar Millionen werden es sein.“ Im Shaolin-Tempel in Henan leben derzeit knapp 200 Mönche und zehn Nonnen.

Gibt es einen Leitsatz, nach dem er lebt? Er nennt einen seiner Lebensgrundsätze, der auch für die anderen Mönche gilt. Alles, was er tut, ist nicht auf das persönliche Wohlergehen ausgerichtet, sondern darauf, das Leid der Mitmenschen und aller Lebewesen zu verringern und letztlich aufzulösen. So wie in China die buddhistischen Tempel seit jeher zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten gehören, schaut er sich in Europa auch gerne Kirchen und Dome an. Und einen guten Wunsch für seinen neuen Tempel hat er auch mitgebracht: „Möge er Deutschland Glück und Gesundheit bringen.“

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