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Berlin: Im Takt durch die Nacht

Sie treffen sich abends vorm Bodemuseum, an der Oberbaumbrücke, vor der Neuen Nationalgalerie Warum in heißen Sommernächten immer mehr Berliner das Draußentanzen für sich entdecken

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Es gibt viele Gründe, warum es sich draußen schöner tanzt. Einer lautet: Man schwitzt viel weniger! Und das ist, weiß Tanzlehrerin Lisa Regehr, gleich in mehrfacher Hinsicht von Vorteil: Beim Cha- Cha-Cha und Discofox können sich die Partner an den Händen fassen, ohne abzurutschen. Und beim Langsamen Walzer? „Da riecht es angenehmer, wenn man sich richtig nahe kommt.“

Lisa Regehr organisiert die kostenlosen Tanzabende in der Strandbar Mitte am Rande des Monbijouparks, direkt am Spreeufer, mit Blick auf das Bodemuseum. Von montags bis sonnabends wird hier ab 20 Uhr getanzt, mal Rumba, mal Tango, mal Swing (siehe Kasten). Pro Abend zieht es bis zu 100 Tänzer hierher, sagt Regehr, es kommen Studenten und Rentner, Rechtsanwälte, Designer, Lehrer. Und auffällig viele Psychologen, sagt sie, keine Ahnung, wieso gerade die. Mehrere Scheinwerfer der Bar sind direkt auf die Spree gerichtet, so dass sich das Flusswasser an der Fassade des Bodemuseums widerspiegelt. Manche Teilnehmer kommen zu zweit, andere suchen sich vor Ort ihren Partner. Und wer erst mal schnuppern will, soll sich einfach ein Glas Rotwein bestellen und zugucken. Da kommt die Tanzlust von alleine.

Auch an anderen Orten Berlins wird während der Sommermonate abends unter freiem Himmel getanzt. Fans elektronischer Musik haben sich für diesen Sonnabend im Club der Visionäre in Treptow verabredet, dort startet die Draußentanzreihe „Stadt Strand Fluss“. Eine Woche später wollen die Veranstalter gleich ein Dutzend Tanzflächen schaffen – auf zwölf angemieteten Schiffen, die im Korso die Spree bis zum Müggelsee runterfahren.

Etwas weniger Party, dafür mehr Atmosphäre versprechen sich die Paare, die sich diesen Sonntagabend an der Oberbaumbrücke in den Armen liegen werden. Passanten werden überrascht sein, erst beim Näherkommen wird die Musik hörbar, die leise aus dem Ghettoblaster schallt. Für Tangotänzer ist der Sommer ein besonderer Höhepunkt, an vielen Stellen der Stadt treffen sie sich unter freiem Himmel. Manchmal sind es nur ganz wenige, die sich irgendwo verabreden und die Intimität der kleinen Gruppe genießen, andere Zusammenkünfte sind öffentlich angekündigt, im Volkspark Friedrichshain etwa, an der Neuen Nationalgalerie oder eben diesen Sonntag an der Oberbaumbrücke. „Milonga“ – so nennt man eine Tangoveranstaltung. Viele Tänzerinnen und Tänzer kommen erst zu späterer Stunde, um 23 oder 24 Uhr, die Hitze hat sich dann gelegt, die Mühe des Tages schwindet und es macht sich eine wohlige Entspannung breit. Tango ist ein eher ruhiger Tanz, wie geschaffen für heiße Nächte. Der Tanz ist einem allerdings nicht in die Wiege gelegt. Zahlreiche Tangoschulen lehren die ursprüngliche argentinische Version dieses Tanzes. Unter freiem Himmel ist meist sehr viel mehr Platz zum Tanzen als bei denjenigen Milongas, die in Fabrikhallen stattfinden. Anfänger, die gerade einen Kurs hinter sich haben, fühlen sich da sicherer, als wenn sie die ganze Zeit auf Tuchfühlung mit anderen Paaren sind. Die große Tangoszene, die sich sehr verzweigt rund um jeweilige Tangoschulen und bestimmte Veranstaltungsorte, findet bei den Open- Air-Veranstaltungen zu neuen Konstellationen zusammen. Leute, die sich vorher nie gesehen haben, treffen sich nun, wo die Sommernacht sie an neue Orte lockt.

In der Strandbar Mitte im Monbijoupark soll es diesen Sonnabend besonders voll werden. Die Veranstalter laden zum Sommerball, und das heißt: Getanzt wird alles, natürlich auch Tango. Und zwar bitte in „sommerlicher Abendgarderobe“, sagt Lisa Regehr. Frauen könnten zum Beispiel ein blumenbedrucktes Cocktailkleid anziehen, Männer gerne ein luftiges Hemd, ohne Sakko, ohne Krawatte, und auf jeden Fall: mit langer Hose.

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