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Berlin: Im Zoo der roten Zora

Ein Bauernhof in Kreuzberg. Steffi Wille, 18, kümmert sich um die Tiere – und lädt Kinder zum Reiten ein

Steffi und Max – seit vier Jahren sind sie verliebt. Sie war gerade 13, er 15. Eigentlich wollte sie nur auf dem Mariannenplatz Fußball spielen. Dann hat die Freundin sie überredet, lieber die Karnickel auf dem Kreuzberger Bauernhof zu besuchen. Und da sah sie ihn: braune Mähne, kurze Beine. Max, das Pony.

Das war am 12.März 2000. Den Tag hat sich Steffi Wille genau gemerkt und feiert ihn jährlich. „Plötzlich wollte ich reiten lernen, auf genau diesem Pferd.“ Anderthalb Jahre übte sie auf Max, heute ist sie 18 und zu schwer für das Pony. Doch dem Kinderbauernhof am Mauerplatz ist sie treu geblieben. Seit ihrem ersten Besuch auf der holprigen Koppel kommt sie fast täglich dorthin. Früher direkt nach der Schule, seit ihrem Realschulabschluss im letzten Jahr immer morgens ab zehn. Und für den Tagesspiegel auch am ersten Weihnachtsfeiertag.

„Steffi ist die Tollste“, sagt Hermann Schlegel, Vorstandsmitglied des Vereins Kinderbauernhof am Mauerplatz, ganz ohne Ironie. Menschen wie Steffi braucht die Oase mitten in der grauen Stadt, sonst hätte sie nie so lange durchgehalten. Vor 24 Jahren wurde der Bauernhof als erster seiner Art aus einem ehemaligen Trümmergrundstück an der Mauer gestampft. Seitdem überlebt er nur durch Spendengelder und die Hilfe Freiwilliger. Manchmal kramt Steffi auch was aus dem Portemonnaie. „Nicht viel, 50 Cent oder so – ich hab ja selber nix.“

Früher wollte sie mal Rechtsanwaltsgehilfin werden und machte ein Praktikum. „Aber ich konnte einfach nicht drinnen rumsitzen, wollte raus und richtig was anpacken.“ Ställe ausmisten, Futter schnippeln, Kindern das Reiten beibringen und das alles auch gern bei Minusgraden, das ist ihr Ding. Von einer ihrer Reitschülerinnen hat Steffi ihren Spitznamen verpasst bekommen: Rote Zora. Und von Pony Max schon den einen oder anderen Tritt. „Tut gar nicht so doll weh, wie man denkt“, sagt die Zora.

Später will sie mal nach Finnland auswandern, jetzt sucht sie einen Ausbildungsplatz als Pferdewirtin, am besten in der Nähe. „Die Tiere hier brauchen eine Bezugsperson. Wär’ doch blöd, wenn ich ganz weg wäre“, sagt sie. Schiebt Max eine Karotte rein und hört ihm beim Schmatzen zu.

Kinderbauernhof am Mauerplatz, Tel. (0174) 4037917. Freitags 14-15 Uhr Gratis-Reiten. Spendenkonto: Kinderbauernhof am Mauerplatz e.V., Postbank , Kto. 0108553101, BlZ 100 100 10.

Lust auf einen Spaziergang? Kommen Sie zum Kinderbauernhof Adalbertstraße Ecke Bethaniendamm. Er öffnet extra für Tagesspiegel-Leser am 1. Weihnachtstag von 11-16 Uhr seinen Streichelzoo.

Zum Aufwärmen gibt es Glühpunsch vom Lokal Kuchen Kaiser. Zweimal schaut der Weihnachtsmann vorbei und verteilt Geschenke an Kinder: von 11 bis 12 Uhr und von 13 bis 14 Uhr. Alle Spenden kommen dem Bauernhof zugute, der vom Bezirk künftig kein Geld mehr bekommen soll.

Katrin Salié

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