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Berlin: Immer an der Mauer lang

Nach fünf Jahren ist der Mauerradweg endlich fertig. Doch ohne Hindernisse ist die Strecke rund um das ehemalige West-Berlin immer noch nicht

Am Anfang gab es Spott: „Wenn Sie am Wochenende nichts Besseres vorhaben, als an der Mauer entlangzustrampeln, bitte sehr“, sagte der damalige Senatsbaudirektor Hans Stimmann einst süffisant zum damaligen Grünen-Abgeordneten Michael Cramer. Dieser wollte, dass die Wege entlang der eben erst gefallenen Mauer ausgebaut und Hinweisschilder angebracht werden. Erst gut zehn Jahre später, im Sommer 2001, war es dann so weit: Der Senat fasste den förmlichen Beschluss, den 160 Kilometer langen Mauerweg zu schaffen. Und vor kurzem, nochmal fünf Jahre später, wurde er eröffnet. Aber Probleme gibt es immer noch.

So war es an vielen Stellen schon fast zu spät. Grundstücke waren verkauft oder verpachtet worden – das unterbrach den Weg. Oder der Asphalt war zerbröselt und nahezu unpassierbar. Dabei waren die Voraussetzungen ideal.

Bis auf wenige Ausnahmen gab es auf beiden Seiten der Mauer Wege: auf der Ost-Seite den Kolonnenweg für die „Grenzorgane“ und auf West-Berliner Gebiet den „Zollweg“ für die Kontrollfahrten entlang der Mauer. Der Mauerradweg wechselt heute zwischen beiden Strecken. Oft ist nur noch schwer festzustellen, wo die Mauer stand.

Der Grüne Michael Cramer setzte durch, dass am Britzer Zweigkanal in Neukölln eine Gedenkstele für das letzte Maueropfer aufgestellt wurde. Hier war der damals 20-jährige Chris Gueffroy bei einem Fluchtversuch am 5. Februar 1989 von DDR-Grenzern erschossen worden. Und im Süden Berlins erreichte er, dass der Mauerradweg beim Wiederaufbau der Anhalter Bahn nicht durch den Damm der Eisenbahn unterbrochen wurde. Gegen Unterführungen an den Trassen der Fern- und S-Bahn hatte sich die Bahn gesträubt, am Ende übernahm der Senat die Kosten. Ohne diese Unterführungen, von manchen bereits „Cramer-Tunnel“ genannt, wäre ein kilometerlanger Umweg für Radfahrer, Skater und Spaziergänger nötig geworden.

Ein ähnliches Problem gibt es jetzt beim Wiederausbau der Dresdner Bahn auf Brandenburger Seite im Raum Mahlow, südlich der Stadtgrenze. Dort will die Gemeinde den Tunnel unter den Gleisen weit weg vom Mauerradweg bauen. Dies bringt Cramer in Rage. Denn auch hier sei der Berliner Senat in Vorleistung gegangen. Um dem Land Brandenburg die Finanzierung der Unterführung schmackhaft zu machen, habe Berlin am U-Bahnhof Hönow einen Park & Ride-Platz auf Brandenburger Gebiet bezahlt. Die Gegenleistung am Mauerradweg lasse aber auf sich warten.

Schwierigkeiten gibt es ferner an einer besonders idyllischen Stelle – am Griebnitzsee in Babelsberg. Dort haben Anwohner Teile des Ufergeländes, an dem die Mauer stand, gekauft. Ob Radfahrer und Fußgänger auf dem „Privatweg“ weiter unterwegs sein dürfen, entscheiden nun die Anwohner. „Ein unhaltbarer Zustand“, findet Cramer.

Lächerlich sei dagegen die Reaktion der Berliner Stadtentwicklungsverwaltung auf die Forderung gewesen, die ehemalige Autobahnbrücke über den Teltowkanal in Albrechts Teerofen in Zehlendorf offiziell als Rad- und Wanderweg freizugeben. Die Verwaltung ließ stattdessen das Gittertor an der Brücke, das sich vorher leicht öffnen ließ, zuschweißen. Nach heftigen Protesten ließ die Verwaltung dann aber den Steg auf der Brücke für Radfahrer und Wanderer wieder anbringen. Bis zum Jahre 1969 führte hier die Autobahn auf einem kurzen Teilstück über den Teltowkanal durch West-Berliner Gebiet; hier war die Grenzabfertigung. Auch die alte Raststätte Dreilinden steht noch dort, sie war später als Gaststätte genutzt worden. Die DDR baute die Autobahn dann später neu an diesem West-Berliner Zipfel vorbei.

Um den Mauerradweg direkt am Schloss Cecilienhof und der Sacrower Heilandskirche vorbeizuleiten, fordert Cramer von der Stadt Potsdam, den Weg von der Glienicker Brücke nach Kladow (Spandau) am Ufer von Jungfern-, Lehnitz- und Krampnitzsee entlang fahrradfreundlich auszubauen. Noch sträubt sich Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU), obwohl 90 Prozent der Gelder vom Bund und der Europäischen Union (EU) zugeschossen würden.

„Unerträglich“ ist für Cramer die Situation im Mauerpark zwischen Prenzlauer Berg und Wedding, also im Bezirk Mitte. „Der fahrradfreundliche Ausbau der Kopfsteinpflasterstraße wird von der CDU und der PDS in Pankow blockiert“, ärgert er sich. Hier hofft er auf neue Mehrheiten nach den Wahlen im September, die sein Konzept unterstützen.

Erfolg hatte Cramer bereits im Europaparlament. Nach dem Berliner Vorbild beschlossen die Abgeordneten, auch einen Rad- und Wanderweg entlang des ehemaligen „Eisernen Vorhangs“ zu bauen, der Ost- und Westeuropa getrennt hatte. „Iron Curtain Trail“ heißt das Vorhaben. Und auch an einem Projekt entlang der früheren deutsch-deutschen Grenze arbeitet Cramer bereits.

Spott gibt’s heute keinen mehr.

Die Mauerstreifzüge hat Michael Cramer in dem Band „Berliner Mauer-Radweg“ beschrieben. Er ist im österreichischen Esterbauer-Verlag erschienen und kostet 9,90 Euro.

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