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Dorfhochschule?

© picture alliance / ZB

Berlin: Immer diese Zugezogenen

Brandenburg bekommt eine neue Stadt – Wildau. Ein besonderes Ereignis für ein Land, das schrumpft.

Wildau - Bei der Zahl von 148 Menschen kann man in Brandenburg schon mal großzügig sein. Genau so viele Einwohner fehlen der Gemeinde Wildau im südöstlichen Berliner Umland zur magischen Grenze von 10 000 Bürgern. Erst dann kann ein Ort offiziell den Antrag auf Verleihung des Stadtrechts stellen. Doch die Brandenburger Landesregierung vertraute den Zusagen aus Wildau, „in Kürze“ mehr als 10 000 Menschen in seinen Mauern zu beherbergen und erteilte dem Dorf die Genehmigung, sich ab 1. April 2013 als Stadt bezeichnen zu dürfen.

„Unser Wachstum ist ungebrochen“, versichert der Wildauer Kämmerer Marc Anders. „Perspektivisch wollen wir 12 500 Einwohner zählen, spätestens im Jahre 2030.“ Der Titel „Stadt“ könne diesen Weg sogar beschleunigen. Es mache sich einfach besser, in der Außenwerbung als Stadt aufzutreten. Die Gemeindevertretung wandle sich jetzt zur Stadtverordnetenversammlung und jeder Fremde könne am Ortseingang künftig ganz anders begrüßt werden. „Wir denken beispielsweise darüber nach, das Zusatzschild ‚Hochschulstadt’ anzubringen und entsprechend auch auf Briefbögen und anderen Dokumenten zu werben“, sagt Anders.

Unmittelbare Auswirkungen habe so ein Titel jedenfalls nicht. Kein Bürger müsse höhere Steuern zahlen und auch vom Land würde es keine größeren Zuwendungen geben. Vor allem die mit 4400 Studenten größte Fachhochschule werde aber profitieren. Mit internationalen Partnern zwischen Abu Dhabi und Neu Delhi erleichtere sich die Zusammenarbeit, hieß es aus der Hochschule. Man sei eben keine Gemeindehochschule, sondern eine städtische Hochschule, das sei international leichter zu erklären. Auch örtliche Wohnungsbaugesellschaften und Bauträger wollen ihre Werbung um neue Einwohner nun auf „Schönes Wohnen in der Stadt“ umstellen.

Derzeit erlebt der Besucher den Ort noch als wenig städtisch. Eher verströmen die meisten Straßenzüge ein dörfliches Flair. Bei einer Umfrage voriges Jahr meinten sich 46 Prozent der Teilnehmer, dass die Bezeichnung „Stadt“ auf Wildau noch nicht zutreffe.

Aber eine „städtische Ausstrahlung“ vermisst der Besucher auch in vielen anderen der insgesamt 113 Brandenburger Städte. Märkisch Buchholz kurz vor dem Spreewald kommt beispielsweise nur auf 783 Einwohner. Gartz an der Oder zählt etwas mehr als 2000 Menschen. Aber diese Stadtrechte sind in der Regel vor über 600 Jahren verliehen worden. Nach der Wende wurde das wichtigste Kriterium auf 10 000 Einwohner festgelegt. Deshalb konnten in der Vergangenheit nur zwei Gemeinden den Status einer Stadt erhalten: Erkner am östlichen Berliner Stadtrand 1997 und Hohen Neuendorf im Norden 1999. Die größte Stadt ist Potsdam mit 158 000 Einwohnern. Claus-Dieter Steyer

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